Vortrag Dr. Sybille Chiari Teil 2
In ihrem Vortrag „Zwischen Alarmismus und Beschönigung“ sprach Dr. Sybille Chiari auch über Barrieren des Klimahandelns. Dieses scheitere nämlich nicht immer an fehlendem Faktenwissen. Klimakommunikator*innen sollten sich deshalb nicht nur auf Wissenstransfer fokussieren, sondern gezielt versuchen diese Barrieren zu überwinden.
Wenn Menschen über die Klimakrise Bescheid wissen, aber nicht danach handeln, hat das unterschiedliche Gründe. Einerseits kann es sein, dass die strukturellen Rahmenbedingungen (wie zum Beispiel ein schlechtes öffentliches Verkehrsnetz) klimafreundliches Handeln verhindern, andererseits können auch psychologische Barrieren im Wege stehen.
In ihrem Vortrag konzentrierte sich Dr. Sybille Chiari ausschließlich auf psychologische Gründe. Diese sollen hier näher beleuchtet werden.
Da sind zum einen die „AGBs des Nichthandelns“:
Fehlende Selbstwirksamkeit?
Ganz klar, der Mensch ist ein Gewohnheitstier, dem es schwer fällt Veränderungen anzugehen. Was bei der Klimakrise erschwerend hinzukommt, ist die fehlende Selbstwirksamkeit: Wir haben nicht das Gefühl, dass unsere Bemühungen bei der Rettung des Klimas ins Gewicht fallen. Wenn alle Welt um uns herum weiter auf großem Fuß lebt, scheinen unsere eigenen Anstrengungen einfach zu verpuffen.
„Wir fühlen uns“, so Chiari, „wie ein kleiner Fisch, der gegen den riesengroßen Hai Klimakrise machtlos ist. Dank Klimaschutzbewegungen wie den Fridays for Future oder Extinction Rebellion empfinden wir uns aber als nicht mehr ganz so alleine und hilflos. Wir sind ein Schwarm geworden.“ Als Klimakommunikatoren können wir also die Selbstwirksamkeit stärken, indem wir Menschen miteinander vernetzen. Die Botschaft muss sein: Gemeinsam können wir mehr erreichen.
Die Macht der Peer-Group
Wir Menschen sind soziale Wesen und lassen uns gerne von unseren Mitmenschen beeinflussen: Unsere Familie, unsere Freunde und unsere Vorbilder haben einen großen Einfluss darauf, wie wir denken und handeln. Und wenn unsere Mitmenschen weiterhin unbedarft CO2 in die Atmosphäre blasen, fühlen wir uns berechtigt, dies auch zu tun. Allerdings kann die Peer-Group auch einen positiven Effekt auf unsere Motivation zum Klimaschutz haben (siehe auch mein Beitrag zum Bystander Effekt). Das passiert zum Beispiel, wenn ganze Nachbarschaften einander inspirieren, ihre Dächer mit Solarzellen auszustatten.
Wir sollten uns also stets unser eigenen Vorbildwirkung bewusst sein: Wenn wir klimafreundlich handeln, tragen wir dazu bei, eine soziale Norm zu schaffen. Wir kommunizieren unseren Mitmenschen, dass Klimaschutz wichtig und vor allem umsetzbar ist. Als Klimakommunikator*innen wiederum sollten wir uns stets bemühen, positive Vorbilder aufzuzeigen.
Im Umkehrschluss kann es aber kontraproduktiv sein, klimaschädliches Verhalten ins Rampenlicht zu stellen: Die Schlagzeile „63% fahren mit dem Auto in die Arbeit“ (die ich frei erfunden habe) signalisiert zum Beispiel den Leser*innen, dass Autofahren vollkommen akzeptabel ist.
Perfection is stagnation
Persönliches Engagement ist wichtig, trotzdem sollte uns bewusst sein, dass der Fokus auf dem individuellen Fußabdruck und Konsumverzicht sehr abschreckend und demotivierend sein kann. Wenn wir mit unseren Botschaften das Gefühl vermitteln, dass man – um das Klima zu schützen– zuerst einmal ein/eine Klimaheilige à la Thunberg werden muss, werden wir nicht viele Menschen für Klimaschutz gewinnen.
Stattdessen sollten wir betonen, dass wir uns für Systemwandel einsetzen. Es geht nicht darum, jedem und jeder Einzelnen das Autofahren zu verbieten, sondern die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass wir nicht mehr auf das Auto angewiesen sind.
Angst und Verdrängung
Aus Sicht der Klimawissenschaft ist unsere Lage sehr ernst. Trotzdem kann es kontraproduktiv sein, wenn wir mit unseren Botschaften nur Angst auslösen. Angst kann dazu führen, dass wir das unangenehme Wissen über die Klimakrise eher verdrängen, oder dass wir im schlimmsten Fall die Klimakrise leugnen und die Überbringer*innen der schlechten Nachricht attackieren.
Deshalb sollten besorgniserregende Nachrichten zur Klimakrise immer auch mit Hinweisen auf systemische und individuelle Lösungen gekoppelt sein.
Vor allem ältere Generationen machen sich Sorgen, dass sie auf liebgewonnene Gewohnheiten und Errungenschaften verzichten müssen. In unseren Botschaften sollten wir daher Klimaschutz nicht nur als Verzicht framen, sondern ihn auch aus anderen Perspektiven beleuchten. Klimaschutz bietet ja in vieler Hinsicht großen Mehrwert. Zu diesen so genannten Co-Benefits gehören zum Beispiel bessere Luft und in der Folge auch gesündere Menschen, hochqualitatives Essen, die Stärkung der lokalen Infrastruktur und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wenn wir beim Propagieren von Klimaschutzmaßnahmen also nur die CO2-Reduktion in den Vordergrund stellen, wird dies ihrem wahren Nutzen nicht gerecht.
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