Seit Kurzem bewerben die Wiener Linien ihr Engagement für den Klimaschutz. Überall in Wien finden sich Plakate, die erklären, warum U-Bahnfahren in Zeiten der Klimakrise wichtig sei. Die Bilder auf den Plakaten suggerieren: U-Bahn-Fahren und der Ausbau des Netzes tragen dazu bei, die Eisbären zu retten und die Arktis vor dem Abschmelzen zu bewahren.

Ich finde es gut, dass Unternehmen ihr Engagement für den Klimaschutz aufzeigen und die Bedeutung des Themas unterstreichen. Die Wiener Linien leisten ja auch viel in Bezug auf Klimaschutz, wie man hier nachlesen kann. Und es stimmt natürlich, dass es weniger PKWs und mehr U-Bahn braucht. Trotzdem fürchte ich, dass die Wiener Linien der Klimabewegung mit dieser Werbung keinen guten Dienst erwiesen haben. Warum? Die Plakate vermitteln uns schlichtweg ein falsches Bild der Klimakrise.

Wenn man den Plakaten Glauben schenkt, dann passiert die Klimakrise vor allem in der Arktis, also ganz weit weg von uns. Sie betrifft anscheinend auch nur die Eisbären, aber nicht uns selber. Natürlich möchten die meisten Menschen nicht, dass das Polareis abschmilzt und die Eisbären aussterben. Da wir uns davon aber nicht persönlich betroffen fühlen, räumen wir dem Klimaschutz schnell einmal geringere Priorität ein als anderen Problemen. Wir können uns emotional abgrenzen und ziehen uns so aus der Verantwortung.

Photo credit: https://www.wienerlinien.at/media/files/2020/wallpaper_u2xu5_herbstkampagne2020_370900.pdf

Im absolut empfehlenswerten Handbuch Klimakommunikation von klimafakten.de liest sich dazu: “Botschaften sollen Mängel wie Distanz vermeiden. […] ‚Das weit entfernte Problem muss nach Hause gebracht werden, die unsichtbaren Ursachen und Folgen müssen sichtbar gemacht werden, die unvorstellbaren Lösungen illustriert, die vermuteten oder realen Barrieren des Handelns als Hürden gezeigt werden, die ,Menschen wie ich‘ bereits überwunden haben.‘“

Die Klimakrise betrifft nicht nur die Eisbären in der Arktis, sondern auch uns.

Was uns die Wiener Linien Werbung nicht zeigt: Die Klimakrise betrifft uns auch hier, in Wien, in Österreich, in Mitteleuropa. Sie gefährdet unsere Gesundheit und schadet unserer Wirtschaft. Und auch persönlich bekommen wir sie zu spüren. So konnte ich mit meinen Kindern in den Sommern 2018 und 2019 aufgrund der Hitze mitunter nicht mehr das Haus verlassen. Als Kind ging ich gerne am Roten Berg rodeln. Das war letzten Winter gar nicht möglich, es gab ja keinen Schnee.

Die Botschaft der Wiener Linien wäre also effektiver, wenn sie uns zeigen würde, warum U-Bahn fahren für das Klima in unserer Stadt, unserer Umgebung und für uns selber gut ist. Wir retten ja nicht nur die Eisbären, wenn wir mit der U-Bahn fahren, sondern tragen dazu bei, dass unsere Stadt lebenswert bleibt, und zwar in vieler Hinsicht. Wenn es weniger Autos gibt, wird die Luft sauberer, was gut für unsere Gesundheit ist. Kinder dürfen sich weiterhin über Schnee freuen. Eltern müssen nicht darum bangen, dass ihre Kinder unterwegs in der Stadt überfahren werden. Im Sommer heizt sich die Stadt weniger auf. Mehr Grünflächen bieten uns wichtige Erholungsplätze. Und die restlichen Autofahrer*innen stehen weniger im Stau.

Genau diese Vorteile beschreiben die Wiener Linien übrigens auf ihrem vorbildlichen Blog: Öffis, die Nummer 1 in Sachen Klimaschutz. Schade, dass sie sie nicht auf ihren Plakaten zeigen.

Wie könnte also ein alternatives Klimaschutz-Plakat für den öffentlichen Verkehr aussehen?

  • Statt Eisbären könnten die Bilder zeigen, wie wir Städter*innen von Klimaschutz profitieren. Es wäre wichtig, dass auf den Plakaten Menschen zu sehen sind, zum Beispiel in ihrem Alltag oder bei Outdoor Aktivitäten. Die Plakate könnten Jogger*innen im Prater oder spielende Kinder an der Alten Donau zeigen – da wäre sogar im Hintergrund die U-Bahn zu sehen.
  • Auch der Slogan müsste geändert werden. „Wir bauen für die Zukunft“ klingt sehr ambitioniert und positiv. Dieser Slogan könnte noch andere inspirieren, wie zum Beispiel „Wir bauen für ein gesundes Klima“, oder „Wir bauen für die lebenswerteste Stadt der Welt“. Oder etwas Ähnliches mit „Schaffen“: „Wir schaffen innovative Verkehrskonzepte“ (hier müsste natürlich ein Techniker oder eine Technikerin zu sehen sein) oder „Wir schaffen gesunde Luft.“
  • Oder die Plakate zeigen Menschen, die erzählen, warum sie sich in Wien wohl fühlen: „Seit hier weniger Verkehr ist, kann ich besser laufen gehen/meine Kinder wieder im Freien spielen lassen …“
  • Mir persönlich gefällt auch der „Für unser Klima. Für uns“ gut.

Aber Vorsicht: Ich habe keinen dieser Vorschläge einer Testung unterzogen. Natürlich sollten Slogans und Kampagnen zuerst bei einer repräsentativen Gruppe „ausprobiert“ werden, ob sie auch ansprechend sind.

Mein absolutes Lieblingsplakat für Klimaschutz kommt übrigens vom Klimavolksbegehren:

Photo credit: Klimavolksbegehren

Wie würdest du eine Klimaschutz-Kampagne für die Öffis gestalten? Welche Plakate würden dir gefallen?