Wovor wir uns fürchten, steht in keinem Zusammenhang mit der Gefahr, die von einer Sache tatsächlich ausgeht. Das wird klar ersichtlich bei unserem Umgang mit der Klima-, aber auch der Coronakrise. Ich möchte mich in diesem Beitrag aber nicht einfach darüber beschweren, dass die meisten Menschen die Klimakrise nicht ernst genug nehmen. Das ist schon oft genug passiert. Statt dessen versuche ich zu erklären warum unsere Risikowahrnehumg sehr subjektiv ist.

Klimakommunikation als Risikokommunikation

Ein Bewusstsein über unsere subjektive Risikowahrnehmung ist in vieler Hinsicht wichtig. So wird verständlicher, warum die Klimakrise so hart um öffentliche Aufmerksamkeit kämpfen muss, oder warum trotz allgemein hoher Besorgniswerte noch nicht längst Massenpanik ausgebrochen ist. Viele Menschen haben zwar verstanden, dass die Klimakrise passiert und menschengemacht ist, sie empfinden sie aber nicht als bedrohlich.

Dieses Bewusstsein kann auch helfen, unsere Botschaften über die Klimakrise effektiver zu formulieren. Denn Klimakommunikation ist zu einem gewissen Grad Risikokommunikation. Die Bevölkerung hat schlicht und einfach das Recht, über die Bedrohung der Klimakrise informiert zu werden. Die österreichische Regierung hat sich sogar bei der Unterzeichnung des Pariser Abkommens dazu verpflichtet, die Allgemeinheit über die Klimakrise aufzuklären (ein weiterer Aspekt, bei dem sie ihren Pflichten nicht nachkommt).

Wenn Aktivist*innen nun auf die Gefahr der Klimakrise aufmerksam machen, möchten sie, dass ihre Botschaft auch ankommt und entsprechend danach gehandelt wird (also zum Beispiel dass sich die Menschen der jeweiligen Organisation anschließen, sie finanziell unterstützen, vehement von der Politik Klimaschutz einfordern, oder durch ihr eigenes klimafreundliches Handeln ein Vorbild für andere werden). Oft genug verhallen diese Botschaften aber ungehört. Wenn wir also erfolgreicher kommunizieren wollen, ist es wichtig zu verstehen, wie wir Menschen Risiko eigentlich wahrnehmen.

Wovor wir uns wirklich fürchten

Die schlechte Nachricht gleich mal vorweg: Unsere Gehirne machen es uns nicht leicht, uns sinnvoll mit der Klimakrise auseinanderzusetzen. Das verraten schon Buchtitel wie Don’t Even Think About It. Why Our Brains Are Wired To Ignore Climate Change (von George Marshall) oder What We Think About When We Try Not To Think About Global Warming (von Per Espen Stoknes), die ich beide natürlich wärmstens empfehlen kann.

Per Espen Stoknes fasst es wunderbar zusammen (ich erkläre es weiter unten auf Deutsch): „People are prone to exaggerate risks that are spectacular, new and unfamiliar, personified, beyond personal control, much discussed, immediate, and sudden as well as those that affect them personally and are imposed by a clear enemy. They tend to downplay risks that are dull, common and familiar, anonymous, somewhat controllable, not much discussed, long-term, gradual, and natural, as well as those that affect others and lack any clear bad guy“ (Loc. 1122).

Wir haben uns also mit der Klimakrise ein Problem angeschafft, dass einerseits brandgefährlich ist, sich aber für die meisten nicht so anfühlt, wenn sie nicht gerade mit einem Extremwetterereignis konfrontiert sind. Vielleicht ist sie gerade deshalb so ungeheuerlich, weil sie geschickt sämtliche Mechanismen unseres Hirns zur Gefahrenerkennung umgeht. Auf einige der von Stoknes genannten Punkte möchte ich näher eingehen.

Zu langsam, zu weit weg, zu komplex…

Die Klimakrise ist abstrakt und anonym. Sie stellt eine graduelle, im Einzelnen kaum spürbare Veränderung des Wettergeschehens über Jahre und Jahrzehnte dar. Natürlich ist das Tempo dieser Veränderungen so dramatisch, dass sich Ökosysteme und auch unsere Gesellschaften nicht schnell genug an sie anpassen können – nur leider spüren wir diese Veränderungen über Jahre und nicht sofort. Langfristig bedroht sie das Überleben unserer Zivilisation, aber auch hier liegt das Problem im Wort „langfristig“, wir fühlen uns einfach nicht unmittelbar bedroht.

Dazu kommt erschwerend hinzu, dass die Klimakrise den Einflussbereich einzelner Menschen bei weitem überschreitet. „What you do counts!“ ruft uns Greta Thunberg zu, und natürlich hat sie Recht. Allerdings empfinden wir das nicht so – wenn wir uns klimafreundlich verhalten, werden wir nicht von einer höheren Instanz dafür belohnt, und wir haben das Gefühl, dass unsere Bemühungen „verpuffen“. Sie können die Klimakrise nicht aufhalten. Im Umkehrschluss werden auch Menschen, Länder und Konzerne, die besonders viele Emissionen produzieren, nicht extra durch Naturkatastrophen dafür bestraft. Genau das Gegenteil ist leider der Fall: im Moment leiden vor allem die Menschen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, am stärksten unter ihren Auswirkungen. Die Auswirkungen der Klimakrise stehen also in keinem direkten Zusammenhang mit ihren Auslösern. Das große Problem dabei: Wenn wir nicht selbstwirksam auf eine Gefahr reagieren können, sind wir eher dazu geneigt, sie zu verdrängen anstatt ihr zu begegnen und die Gefahrenquelle zu minimieren.

Die Macht der Gewohnheit

Das berühmte Time Cover aus dem Jahr 2006.

Die Klimakrise ist leider auch schon lange nicht mehr neu und unbekannt. Nachrichten über die steigende Konzentration von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre, Extremwetterereignisse, düstere Zukunftsprognosen, und die Wichtigkeit einer sofortigen Kehrtwende geistern schon lange in unseren Medien herum. Wir haben uns sowohl an die Nachrichten als auch an die Extremwetterereignisse gewöhnt und sind dementsprechend abgestumpft. Die öffentliche Besorgnis war sogar vor dreißig Jahren größer als im Jahr 2015. Damals (1989) sagte James Hansen vor dem US-Kongress erstmals über die Klimakrise aus und machte damit Schlagzeilen. Interessanterweise kämpft die Coronakrise nun mit dem gleichen Gewöhnungseffekt: Während im Frühjahr das Problembewusstsein in der Bevölkerung noch sehr hoch war, haben wir uns jetzt an das Virus gewöhnt und gemerkt, dass sich die Welt auch mit Corona weiter dreht.

Corona vs Klima in den Medien

In vielfacher Hinsicht spüren wir die Coronakrise aber viel akuter als die Klimakrise. Dazu tragen vor allem die Medien bei, die mit ihrer kontinuierlichen Berichterstattung dafür sorgen, dass wir uns der Coronakrise nicht entziehen können. Unsere Sorgen über ein Thema steigen ja in Relation zu seiner Präsenz im öffentlichen Diskurs. Da viel über die Coronapandemie gesprochen und berichtet wird, ist die allgemeine Besorgnis sehr hoch. Die Klimakrise andererseits bekommt außerhalb der grünen Blase wenig mediale Aufmerksamkeit, und auch im Alltag sprechen wir wenig darüber. Natürlich führen Nachrichten über Naturkatastrophen dazu, dass die generelle Furcht vor der Klimakrise steigt. Allerdings verflüchtigt sich diese Angst wieder, wenn sich die mediale Berichterstattung erneut einem anderen Thema widmet.

Das Problem der Feindbilder

Die Klimakrise bietet uns auch keine eindeutigen Feindbilder, bzw. haben alle Feindbilder einen gewissen Haken. Das Problem ist, dass wir alle Teile der Gesellschaften sind, die zu viele Treibhausgase ausstoßen, und dass wir sozusagen selber der Feind sind. Das macht die ganze Sache ziemlich unattraktiv und schwierig zu kommunizieren. So wurden zum Beispiel die Klimastreiks der Fridays for Future in der öffentlichen Wahrnehmung oft als Anklage gegen die älteren Generationen interpretiert, was zur Folge hatte, dass sich potentielle Anhänger aus diesen Generationen nicht der Bewegung angeschlossen haben (glücklicherweise gibt es mittlerweile Grandparents und Parents for future). Weiters schossen sich Klimaaktivist*innen lange Zeit auf Klimawandelleugner und deren Thinktanks und Geldgeber ein. Auch ich halte diese Menschen und ihre Propaganda für abgrundtief böse, allerdings denke ich nicht, dass es der Klimabewegung hilft, wenn sich Kampagnen nur auf diese konzentrieren. Die Mehrheit der Menschen sind ja bereits von der Realität der anthropogenen Erderwärmung überzeugt, haben sich aber trotzdem nicht der Klimabewegung angeschlossen. Auch Kohle- und Ölkonzerne als Feindbilder sind nicht unbedingt sinnvoll, da für Klimaschutz ja eine Vielzahl an Maßnahmen notwendig sind, und es nicht nur um den Ausstieg aus Kohle geht. Für Österreich relevantere Themen wären Verkehrspolitik, Landschaftsplanung, Landwirtschaft (GAP), etc.

Was bedeutet das alles für Klimakommunikation?

Die oben beschriebenen Einsichten können helfen, die Gefahr, die von der Klimakrise ausgeht, effektiver zu kommunizieren. Einerseits sollten wir uns bemühen die Klimakrise in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter zu machen (und ich danke hiermit allen Klimaaktivist*innen, die sich unermüdlich dafür einsetzen) und auch im Alltag öfter darüber sprechen. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass wir unsere Botschaften dann so framen, dass sie auch gehört werden. Leider tragen viele Nachrichten über die Klimakrise dazu bei, dass Menschen sich emotional von ihnen distanzieren können. Das passiert zum Beispiel, wenn Klimawissenschaftler*innen vor den katastrophalen Auswirkungen in der Zukunft warnen oder Medien über Naturkatastrophen in fernen Ländern berichten. Um Distanzierung zu verhindern, sollten wir uns viel auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Hier liefert zum Beispiel das Buch von Marcus Wadsak Klimawandel. Fakten gegen Fake und Fiction einen wertvollen Beitrag, da es sich auf die Auswirkungen der Klimakrise in Österreich konzentriert.

Klimakommunikation ist aber auch nicht nur Risikokommunikation. Denn nur weil wir die Gefahr als solche erkannt haben, heißt das noch lange nicht, dass wir uns über den Ausweg aus der Gefahr einig sind. Und wenn wir uns als Gesellschaft verändern wollen, müssen wir eine klare Vision haben, wo wir eigentlich hin möchten. Ich denke, dass hier der wesentliche Dialog statt finden sollte. Dazu aber mehr in einem anderen Beitrag.