Würden Menschen rational agieren, wäre mein Blog hinfällig. Denn die Fakten zur Klimakrise liegen schon seit Jahrzehnten auf dem Tisch und werden Jahr für Jahr besorgniserregender. Es ist wissenschaftlich unumstritten, dass die Klimakrise im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich ist. “It’s not that scientists are alarmists – it’s that the science itself is alarming”, schreibt Per Espen Stoknes in seinem genialen Buch What we think about when we try not to think about global warming.
Trotzdem beschränkt sich die Antwort der Politik vor allem auf Versprechungen, bzw. auf Zielsetzungen für CO2 Reduktionen in der Zukunft. Die notwendigen Maßnahmen um diese Zielsetzungen zu erreichen bleiben leider aus. Und wenn ich im Alltag um mich schaue, kann ich den meisten Menschen nicht anmerken, dass sie sich um einen niedrigen CO2 Fußabdruck bemühen.
Wieso ist das so? Wenn man einmal begriffen hat was die Klimakrise für einen bedeutet, ist es ja sehr schwierig nachzuvollziehen, warum andere Menschen einfach so unbedarft weiter konsumieren können und nicht schon längst Massenpanik ausgebrochen ist (wobei ich hier hinzufügen möchte, dass dies ganz gut ist – trotz Greta Thunberg’s Ausruf „I want you to panic!“ – denn in Panik werden selten sinnvolle Entscheidungen getroffen). Warum können wir nicht mit vereinten Kräften daran arbeiten uns vor dieser Krise zu schützen?
Bewusstsein stark gestiegen
Es wäre zu einfach die scheinbar allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber der Klimakrise als Unwissen oder Klimaskepsis zu interpretieren. Dank des Engagements der Fridays for future und Extinction Rebellion ist die Klimakrise in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. So zeigt zum Beispiel ein kürzlich veröffentlichter Report der NGO climate outreach, dass sich die Anzahl der Personen, die sich im Vereinigten Königreich über die Klimakrise besorgt zeigen, in den letzten vier Jahren verdoppelt hat. Auch in Österreich ist laut einer aktuellen Studie das Bewusstsein für die Klimakrise stark gestiegen: 79% der Befragten gaben an, sich stark oder mäßig für die Klimakrise zu interessieren. Auch ihre Medienpräsenz ist in den letzten Jahren gestiegen (ich scrolle gerade durch die Online Ausgabe der Krone und bin eigentlich positiv überrascht, wie viele Nachrichten zur Klimakrise sich dort finden). Natürlich gibt es noch immer Klimaskeptiker, allerdings stellen diese eher eine Minderheit, und nicht die 76% der Wiener*innen, für die Klimaschutz bei der Wienwahl gestern laut einer Umfrage kein Wahlmotiv war.
Klimawissen führt nicht zu Klimahandeln
Trotz dieser erfreulichen Entwicklungen scheint die Klimakrise noch wenig Präsenz in unserem Alltagsleben zu haben. Obwohl wir schon ihre Auswirkungen spüren (sehr zum Leidwesen der österreichischen Bäuer*innen und Waldbesitzer*innen), stellt sie für die meisten von uns eine eher abstrakte Bedrohung dar – weit entfernt von den alltäglichen Sorgen, die es jeden Tag zu meistern gilt. Und noch ist der gesellschaftliche Druck nicht so groß, dass Politiker*innen für ihr klimapolitisches Versagen von den Wähler*innen abgestraft werden würden.
Das gestärkte öffentliche Bewusstsein hat auch nicht zu spürbaren Veränderungen des Verhaltens der meisten Menschen geführt; es existiert eine große Kluft zwischen unserem Wissen über die Klimakrise einerseits und unseren Handlungen andererseits. „Viele Menschen tun nicht das, was sie für richtig halten“, schreibt Michael Kopatz in seinem Artikel „Erlöst endlich die Konsumenten“ in der Zeit: „Mehr als 90 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, deutlich mehr Geld für gutes Fleisch auszugeben, doch nur vier Prozent tun es wirklich. Befragungen zeigen auch, dass die Menschen viel weniger Autos in den Städten haben möchten. Neun von zehn begrüßen eine ambitionierte Klimaschutzpolitik. Allein, bei sich selbst anfangen, das möchten nur wenige.“
Wenn Wissen nicht zu Handeln führt, bringt es nichts, die Bevölkerung weiterhin nur Fakten zur Klimakrise zu kommunizieren und dann zu warten, was passiert. „To communicate the facts to the public, the same social experiment has been repeated over and over: Simply give people the information, and then wait and see if the facts trickling into their mind will convince them to change their behaviour. The outcome has been consistently underwhelming“ (Stoknes, Loc. 335).
Probieren wir mal etwas Anderes
Statt dessen sollten wir uns andere Strategien überlegen. Einerseits gilt es der Politik einen klaren Handlungsauftrag zu erteilen und den Druck in der Bevölkerung dementsprechend zu erhöhen. Wenn wir die Notwendigkeit von Klimaschutz kommunizieren wollen, sollten wir uns immer fragen, warum dieser für unser konkretes Gegenüber wichtig sein könnte. Denn es gibt wohl kaum jemanden, der nicht etwas hat, was er vor der Erderwärmung schützen und bewahren möchte. Eltern lieben ihre Kinder, Romantiker wie ich die vier Jahreszeiten mit ihren unterschiedlichen Farben, Gerüchen und Traditionen (welche Kastanien werden wir sammeln, wenn es in Wien keine Kastanienbäume mehr gibt? Was wird aus weißen Weihnachten?), oder Skifahrer*innen unsere schneebedeckten Berge (Österreich als Wintersportdestination sollte Klimaschutz ein wirklich wichtiges Anliegen sein).
Wir könnten uns außerdem auch überlegen, wie unsere zukünftige Gesellschaft ausschauen wird, wenn wir nicht mehr von fossilen Brennstoffen abhängig sind, und inwiefern sie dann besser wäre. Für eine Mutter wie mich wäre es zum Beispiel ziemlich attraktiv, wenn meine Kinder in Wien Fahrrad fahren oder Straßen queren könnten ohne dass ich um ihr Leben fürchten müsste. Auch Autofahrer profitieren davon, wenn es weniger Autos in der Stadt gibt, da sie dann weniger Zeit in Staus verbringen. Und die Coronapandemie hat die Wichtigkeit lokal produzierter Güter gut aufgezeigt.
Vom Wissen zum Handeln
Diese Kommunikationsstrategien können Klimaschutz zwar mehrheitstauglich machen, Reden allein wird jedoch die Kluft zwischen Wissen und Handeln nicht überbrücken. Dazu wiederum braucht es die entsprechenden Rahmenbedingungen von Politik und Wirtschaft, die es uns einfacher machen uns klimafreundlich zu verhalten.
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