Eigentlich wollte ich diese Woche über Klimakommunikation in der Coronakrise schreiben; ganz konkret sollte es darum gehen, wie wir in Zeiten einer globalen Pandemie mit ihren desaströsen wirtschaftlichen Folgen das öffentliche Interesse an der Klimakrise aufrecht erhalten können. Das wäre sehr wichtig, da wir uns ja trotz aller sehr berechtigten Sorgen, die uns zur Zeit beschäftigen, noch immer vor der Klimakrise schützen müssen – je früher und ambitionierter wir es angehen, umso besser.

Aber nun hat uns Corona eingeholt und meine Familie und ich sind zu Hause in Quarantäne. Es ist ziemlich anstrengend zwei kleine Kinder den ganzen Tag zu Hause zu beschäftigen, vor allem wenn draußen so schön die Sonne scheint und wir viel lieber am Spielplatz wären. Es bleibt keinerlei Zeit an meinem Blog zu arbeiten, weshalb ich nun einen Leserbrief reproduziere, den ich letztes Jahr an den Standard geschrieben habe. Es war eine Antwort auf einen Artikel von Doris Knecht, „Wir brauchen viel mehr schlechtes Gewissen„.

Ich schätze die wöchentliche Kolumne von Doris Knecht im Falter sehr, aber mit diesem Artikel hat sie der Klimabewegung meiner Meinung nach nichts Gutes getan. Schlechtes Gewissen kann nämlich sogar kontraproduktiv sein um bei Mitmenschen eine Verhaltensänderung zu einem klimafreundlicherem Leben zu bewirken. Eine wesentlich bessere Motivation wären positive Emotionen. Ich habe die Daten im Artikel aktualisiert und einiges geändert, so dass der Beitrag nun wieder auf dem neuesten Stand ist. Aber genug geredet, hier ist mein Leserbrief:

Mehr schlechtes Gewissen wird die Klimakrise nicht lösen

Wenn ich an die Klimakrise denke, regen sich in mir eine Reihe von unterschiedlichen Gefühlen. Ich empfinde Angst und Panik, wenn ich an die katastrophalen Folgen einer eskalierenden Erderwärmung erinnert werde. Tiefe Trauer überkommen mich in meinen Gedanken an Vergangenheit und Zukunft: Wenn ich die Orte meiner Kindheit besuche, entdecke ich immer mehr Spuren der Klimaveränderung. Ich bin dann voller Nostalgie für die Zeit, als sich mein Leben noch nicht um CO2 Emissionen drehte, wo es im Sommer nicht zu heiß war, und wo im Winter verlässlich Schnee fiel. Und ich möchte weinen wenn ich daran denke, dass alles, was ich liebe, von der Erderwärmung bedroht wird. 

Diese Emotionen haben mich die letzten zwanzig Jahre meines Lebens begleitet – ebenso der Versuch möglichst klimafreundlich zu leben, und auf Fleisch, Flugreisen und Autofahren zu verzichten. Wirklich zufrieden kann ich aber nicht sein, denn meine individuellen Bemühungen hatten keinerlei Auswirkungen auf den globalen Trend der steigenden Emissionen. Dann ist die Verzweiflung und Frustration besonders groß, insbesondere wenn mir bewusst wird, wie machtlos ich gegenüber diesen Veränderungen eigentlich bin. 

Durch die Geburt meiner zwei wundervollen Kinder hat die Klimakrise noch eine moralische Dimension bekommen, und zu den Sorgen hat sich auch schlechtes Gewissen gesellt. Was habe ich mir eigentlich gedacht, sie in eine Welt zu setzen, die wir Menschen in westlichen Gesellschaften gerade zerstören? Es ist gar nicht so einfach mit dieser Verantwortung umzugehen, und ich habe für mich beschlossen, wann immer ich kann, besonders gut für sie da zu sein.

Individueller Handlungsspielraum vs institutionelle Rahmenbedingungen

Gleichzeitig wehre ich mich dagegen, die Klimakrise nur als Konsequenz unseres Konsumverhaltens zu sehen. Als ob wir diese mit unseren Konsumentscheidungen alleine lösen könnten! Emissionen basieren auf einer Vielzahl von Entscheidungen, von denen unser Konsum die letzte ist. Natürlich sollten wir die aktive Gestaltungsmöglichkeit, die uns gegeben ist, nützen. Uns sollte allerdings auch bewusst sein, dass dies leider nicht reicht. 

Regierungen schaffen mit ihren Investitionsentscheidungen die Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir uns bewegen. So erhielten fossile Energien im Jahr 2020 um 70% mehr Förderung als erneuerbare Energien. Nach dem ersten Lockdown wurden im großen Stil Fluglinien gerettet. Flugreisen sind nicht besteuert und wesentlich billiger als Zugreisen. Wenn auf dem Land nur ein ungenügendes öffentliches Verkehrsangebot vorhanden ist, ist es für viele unmöglich auf das Auto zu verzichten. Solange klimaschädliches Verhalten also billiger und einfacher ist als Klimaschutz, kann dieser nur ein Minderheitenphänomen bleiben. 

Wenn wir in unserem Bestreben klimafreundlich zu leben an unsere Grenzen stoßen, macht es wenig Sinn die Änderungsversuche nur bei uns selber anzusetzen. Statt dessen sollten wir unsere Energien auch aufwenden um Bewusstsein für diese absurde Situation zu schaffen, und politisch Druck auszuüben, damit die Rahmenbedingungen, die uns einschränken, verändert werden. 

Schlechtes Gewissen verhindert klimafreundliches Handeln

In der öffentlichen Debatte rund um die Klimakrise sind Schuldzuweisungen und schlechtes Gewissen kaum zielführend. Schuldzuweisungen schaffen Ressentiments, und diese sind kein guter Ausgangspunkt um ein Problem, das nur kollektiv gelöst werden kann, anzugehen. 

So weist der Autor George Marshall in seinem Buch “Don’t Even Think About It. Why Our Brains Are Wired To Ignore Climate Change” darauf hin, dass Menschen Appelle an das eigene schlechte Gewissen eher abblocken und das Problem lieber verdrängen. „In high carbon societies everyone contributes to the emissions that cause the problem and everyone has a strong reason to ignore the problem or to write their own alibi“ (42).

Schlechtes Gewissen und Schuldzuweisungen schwingen auch in unseren alltäglichen Gesprächen über die Klimakrise mit. Ich finde es noch immer schwierig das Thema anzusprechen und meine Sorgen zu teilen, aus Angst ich könnte meinen GesprächspartnerInnen das Gefühl geben ihren Lebensstil zu kritisieren. So kommt es, dass ein Thema, welches unsere Zukunft massiv bestimmten wird, im Alltag wenig präsent ist und kollektiv verdrängt wird.

Wie kann denn nun Wandel gelingen?

Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass klimafreundliches Handeln vor allem durch positive Emotionen motiviert wird. Meine eigenen Erfahrungen können diese These bestätigen. Seit einigen Monaten arbeite ich nicht nur an meinem eigenen CO2 Fußabdruck, sondern bemühe mich auch, das Klimavolksbegehren und die Parents und Fridays vor Future bestmöglich zu unterstützen.

Der Auslöser für diesen Sinneswandel war nicht schlechtes Gewissen, sondern die Erkenntnis, dass ich mit meinen Ängsten und Sorgen nicht alleine bin. Ich hatte das Glück Gleichgesinnte zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen. 

Und so hat sich das Spektrum der Emotionen rund um die Klimakrise in den letzten Monaten stark erweitert. Da ist zum einen tiefe Dankbarkeit für den Mut und die Energie aller MitstreiterInnen für den Klimaschutz, feste Entschlossenheit auch meinen Beitrag zu leisten und natürlich Hoffnung, dass wir gemeinsam nun doch etwas erreichen können.