Online-Shopping: so gefragt wie noch nie
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Nur wenige Klicks, und kurze Zeit später kommt die Ware zu mir nach Hause – und das in Zeiten von Lockdown und Weihnachtseinkäufen: Online-Shopping ist fraglos bequem. Doch wie sieht eigentlich die Nachhaltigkeitsbilanz aus? Wird die Nachhaltigkeitsfrage überhaupt diskutiert und wenn ja, ist die Diskussion kritisch und lösungsorientiert? Welche Lösungsansätze kursieren bereits, und wie werden sie argumentiert?
Erster Überblick: Welche Perspektiven finden sich?
Einer Weihnachtsumfrage der FOM Hochschule aus dem Jahr 2019 zufolge legen „vor allem die jüngeren Generationen (…) wenig Wert auf umwelt- und ressourcenschonenden Einkauf“. Dem widerspricht eine Yougov-Umfrage, die ein jüngerer Artikel zum Thema aufgreift: Demzufolge „legen mittlerweile immerhin rund 60 Prozent der Deutschen großen Wert auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei ihrem Online-Einkauf. (…) Beim Thema Versand (…) würden rund 86 Prozent der Befragten eine ökologischere Liefermethode bevorzugen, wenn der Preis derselbe bliebe, jeder Fünfte wäre dafür sogar bereit, tiefer in die Tasche zu greifen.“
Eine Überblickssuche zeigt: Die Frage wird in Wissenschaft und Politik zwar zunehmend diskutiert, ist in den Medien aber wenig präsent. Vorhandene Beiträge spiegeln vor allem die bundesdeutsche Situation wider. Dort ergreift jetzt immerhin die Bundesregierung die Initiative (mehr dazu unten). Österreichische Medienbeiträge oder Maßnahmen von politischer Seite finden sich bisher nicht (wohl aber kleinere Online-Anbieter mit dem Anspruch von Regionalität und/oder Nachhaltigkeit). Dabei sind sich bisherige Stimmen einig, dass es langfristig eine überregionale Regelung braucht.
Die eine Seite: Orientierung für Verbraucher*innen
Wer sich als Verbraucher*in selbst eine Meinung bilden will, wird bei der deutschen Verbraucherzentrale fündig. Klipp und klar heißt es dort: Die meisten Studien gehen davon aus, dass der Online-Handel der Umwelt mehr schadet als der Kauf im Geschäft. Die kritischen Punkte: die umweltschädliche logistische Seite (Expresslieferung, Mehrfachzustellungen), die überdimensional häufigen Retoursendungen, die ineffektiven Verpackungen, aber auch indirekte Folgen wie die Konkurrenz zum Geschäft ums Eck, die zum Aussterben der Innenstädte führt.
Als Ausblick werden jedoch auch Lösungsansätze angesprochen, die teilweise schon umgesetzt werden: darunter die (eventuell) umweltfreundlichere Zustellung per Fahrrad und Elektroscooter, die Diskussion um eine kostenpflichtige Rücksendung oder auch Mehrwegverpackungen. Am Ende des Artikels finden sich Tipps, wie Verbraucher*innen umweltfreundlicher online einkaufen können – durchaus verständlich und umsetzbar, wenn auch konkrete Beispiele fehlen. Damit erfüllt der Beitrag seine Funktion der Beratung und Orientierung. Natürlich setzt das trotz allem kritische Verbraucher*innen voraus: Wer sich gar nicht erst Gedanken um einen klimafreundlichen Einkauf macht, wird auch nicht nach Artikeln wie diesen suchen. Für alle, die diesen Ansatz vertiefen wollen, hier ein Streaming-Tipp: Deutschland-Reportage zum Online-Shopping (ARD, 20.06.2020).
Die andere Seite: Reglement-Diskussion in Wirtschaft und Politik
„So gelingt der effizientere Umgang mit Retouren“ – das ist der Untertitel eines Artikels im e-commerce-Magazin. Die Problemstellung: Online-Handel boomt, aber in Deutschland werden jährlich ca. 490 Millionen online erworbene Sendungen retourniert. Dass diese meist händisch erfasst werden müssen, bedeutet für Händler hohen Aufwand und Kosten. Der Lösungsansatz: Ein aktuelles Forschungsprojekt untersucht ein System, das Schuhe und Kleidung (die besonders häufig retourniert werden, aber besonders schwer zu verarbeiten sind) selbstständig erfassen und analysieren kann. Über die Technologie selbst verrät der Artikel nichts; hervorgehoben wird der mögliche Nutzen für Käufer- wie Verkäuferseite: Kostenersparnis durch Ressourceneinsparung. Die Nachhaltigkeit ist in dieser Darstellung zweitrangig, argumentiert wird vor allem über die Kosten-Nutzen-Rechnung. Bleibt abzuwarten, wie das System in Erprobung funktioniert und vor allem, welche Einsparungen es tatsächlich ermöglicht. Abzusehen ist jedenfalls, dass Händler und auch Kund*innen vorrangig über das finanzielle Argument zu überzeugen sein werden.
Ein weiterer Artikel greift die aktuelle Lage auf: Seit der Pandemie wird Umfragen zufolge noch mehr als zuvor im Internet bestellt, die Umsätze steigen – und die Tendenz wird bleiben. Darauf will die deutsche Bundesregierung nun reagieren.
Laut Meldung des Deutschen Handelsblatts erarbeitet der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen im Bundesministerium Lösungsvorschläge: „Zu den ‚Lösungsansätzen für eine nachhaltige Entwicklung des Onlinehandels‘ zählt etwa eine ‚Kostentragungspflicht‘ für die Verbraucher bei Retouren von mangelfreien Produkten.“ Zentraler Lösungsvorschlag: Einführung einer Rücksendegebühr, da die meisten Händler bisher aus Wettbewerbsgründen kostenlose Rücksendung anbieten. Der Handelsverband lehnt diese Maßnahme strikt ab mit der Begründung, das greife in den Wettbewerb ein. Von Händlerseite will man andere Strategien finden, um die Rücksendungen so gering wie möglich zu halten: So wird bereits am Einsatz von Künstlicher Intelligenz gearbeitet, die Kundenwünsche so passgenau wie möglich analysieren soll. In Deutschland hat man vorerst einen politischen Kompromiss gefunden, der eine Informationsverpflichtung vorsieht, „um die Kosten auf den Verbraucher abwälzen zu können. Das heißt: Die Onlineshops dürfen die Rücksendekosten nach einem Widerruf unabhängig vom Warenwert den Käuferinnen und Käufern aufbürden, wenn sie vor dem Einkauf über die mit einer Rücksendung verbundenen Kosten informiert haben. Die Praxis ist aber oft eine andere“ – soll heißen, wer kann, behält die kostenlose Retournierung bei.
Wie geht es weiter?
Letztlich fordern alle Seiten eine aktivere und offene Diskussion der Nachhaltigkeitsfrage von Online-Handel – und langfristig eine europäische Lösung, wie etwa „verpflichtende Regelungen zur Überwachung von Menschenrechts- und Umweltstandards entlang der Lieferkette“ (Deutsches Handelsblatt). Da dies aber ein langwieriges Unterfangen wird, wie die Berater der Bundesregierung selbst zugeben, wird nach wie vor an einer bundesweiten Lösung für Deutschland gearbeitet. Fazit: Konkrete gesetzliche Regelungen wären vermutlich der wirksamste Lösungsansatz und würden nebenbei auch jede*n Einzelne*n von uns mit dem Thema konfrontieren. Die allgemeine Aufgabe, das Diskussionsthema selbst sichtbarer zu machen, wird wohl anderen zukommen, etwa kritischen Medien – und diesem Blog.
Tipp
Weil es auch darauf ankommt, bei wem man online einkauft, hier einige österreichische Anbieter mit regionalem bzw. nachhaltigem Anspruch:
ÖGreissler: ein Online-Shopping-Portal für Nahrungsmittel.
Shöpping wirbt mit CO2-neutraler Zustellung – ein näherer Blick lohnt sich und soll an anderer Stelle auf diesem Blog stattfinden.
Auch auf Nunus Ladenliste für den heimischen Handel, mittlerweile vielen ein Begriff, sei hier noch einmal verwiesen.
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