Wie kommuniziert man richtig? Durch Verhaltenswissenschaften den Klimaschutz näher an die BürgerInnen bringen. Unter diesem Titel diskutierte Dr. Sophie Karmasin am 5. November im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mut zur Nachhaltigkeit“ das Thema Klimakommunikation auf Grundlage der Verhaltenswissenschaft.

Kommunikation ist mehr als Information – sie findet immer in einem bestimmten Umfeld statt und ist von der Situation und von Emotionen geprägt. Ausgehend davon stellt Frau Karmasin das Ergebnis einer Umfrage an den Beginn, die die aktuelle Stimmungslage in Österreich untersuchte. Es zeigt eine gewisse Verschiebung von Wertigkeiten: Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und ihrer Folgen haben Regionalität, Natur, Nachhaltigkeit und Entschleunigung für viele Menschen an Bedeutung gewonnen, während Konsum und Reisen in den Hintergrund gerückt sind. Ist diese Werteverschiebung eine Chance für Veränderungen?

Warum gerade jetzt?

Der relativ hohe Stellenwert von Klimathemen und Nachhaltigkeit mag überraschen, könnte man doch in Krisensituationen das Gegenteil annehmen. Karmasin vermutet folgende Logik: Durch den Ausbruch der Pandemie ist uns bewusst geworden, dass Krisen schnell Realität werden können und Bedrohungen nicht nur ein Gespenst von Medienberichten und wissenschaftlichen Prognosen sind. Auch Naturkrisen können sehr wohl eintreten – und sie können uns persönlich und unmittelbar (be)treffen.

Allerdings bedeuten Wissen und Werte noch nicht, dass wir auch entsprechend reagieren (der sogenannte Mind Behavior Gap). So sind 67 % der Österreicher*innen davon überzeugt, dass man Energie sparen sollte, aber nur 39 % geben an, das auch zu tun. Bei dieser Diskrepanz muss, so Karmasin, Klimakommunikation ansetzen.

Zwei Drittel der Österreicher*innen davon überzeugt, dass man Energie sparen sollte, aber nur ein Drittel gibt an, das auch zu tun. (Photo Credit: USA-Reiseblogger, pixabay.com)

Es liegt nicht am mangelnden Wissen

Es ist also nicht sinnvoll, Skepsis oder Tatenlosigkeit mit noch mehr Information zu begegnen. Denn Kommunikation und vor allem Konsequenzen – also die Entscheidung für die Umsetzung – hängen von vielen weiteren Faktoren ab.

Die Verhaltenswissenschaft kennt jedenfalls drei Gründe, warum es mit Wissen nicht getan ist.

  • Reaktanz: Wer Umwelt-Fehlverhalten mit Schuld, Sünde und Fehlverhalten in Zusammenhang bringt, ruft ausweichendes Verhalten und Ablehnung hervor. Ein Fehler vieler Wortmeldungen in den Medien, aber auch Organisationen appellieren zu häufig an die Verantwortung.
  • Kognitive Dissonanz: Informationen werden ausgeblendet, abgewertet oder einfach nicht behalten, oft werden hinter Argumenten für den Klimaschutz Eigeninteressen oder Verschwörungstheorien vermutet.
  • Zeitpräferenzen: Je weiter entfernt (räumlich oder zeitlich in der Zukunft) Ereignisse sind, desto weniger relevant sind sie für persönliche Entscheidungen. Verhaltensweisen, die unmittelbares Feedback auslösen, erhalten mehr Aufmerksamkeit und werden höher bewertet.

Welche Kommunikationsstrategie die Richtige ist, müssen wir im Einzelfall entscheiden. (Photo Credit: mohamed_hassan, pixabay.com)

Wie können wir trotzdem durchdringen?

Wer die jeweils passende Kommunikationsstrategie finden will, muss vorab zwei Fragen klären:

Angst oder Optimismus? Ist es für meine konkrete Kommunikationssituation sinnvoller, mit Bedrohungsszenarien oder mit Anreizen zu arbeiten? (Zwar gibt es in der Verhaltenswissenschaft die Theorie, dass Negatives schwerer wiegt als Positives; dass dies auch für die Klima-Thematik gilt, ist aber nicht belegt.)

Individualismus oder Gemeinwohl? Appelliere ich an Einzelne oder an den Gemeinschaftssinn? (Immerhin hat die Wissenschaft vielfach nachgewiesen, dass der Mensch in vielen Entscheidungssituationen im Sinne der Gemeinschaft handelt und daraus auch einen Nutzen zieht.)

Dann gilt es im konkreten Einzelfall eine passende Strategie zu wählen. Dazu gibt Karmasin verschiedene Ansätze mit auf den Weg:

  • Bedrohungsszenarien können zwar wirksam Reaktionen hervorrufen, im Klimakontext ist aber fraglich, ob sie funktionieren.
  • Appell an die Empathie und das Kollektiv: „Denkt an eure Kinder“ mag manche Menschen überzeugen.
  • Zeitpräferenzen nutzen: die Vorteile im Hier und Heute hervorheben, mit verbesserter Lebensqualität argumentieren, die persönliche Situation einbeziehen.
  • Den sozialen Effekt von Vorbildern nutzen: Soziale Effekte sind starke Motivatoren; so können zum Beispiel „relevante Persönlichkeiten“ Vorreiter sein und Trends setzen.
  • Die Wirksamkeit erster Schritte betonen: „Du tust das Richtige“ – Belohnung und Feedback sind ganz wesentlich, um Gewohnheiten aufzubrechen und längerfristig zu motivieren.
  •  Zu konkreten und realistischen Handlungen auffordern: Was genau könnte ein erster Schritt sein? Wie könnte man etwas ausprobieren? Der Hinweis dazu: Make it EAST, also easy (niederschwellig), attractive (sozial erwünscht), simple (unkompliziert), timely (zeitnah umsetzbar).

Was nehmen wir mit?

Gleich vorweg betont Frau Karmasin: Ein Patentrezept zur erfolgreichen Kommunikation über die Klimakrise gibt es nicht. Somit ist ihr Impulsreferat in erster Linie als Bestandsaufnahme zu werten. Die vorgestellten Ansätze können ein Raster sein, mit dem wir unsere Kommunikationsstrategie im Allgemeinen und im Einzelfall überprüfen können – unseren grundsätzlichen Auftritt ebenso wie jeden einzelnen Artikel, den wir schreiben, oder jedes einzelne Gespräch, das wir führen. Für uns alle gilt aber: Wir können nur im jeweiligen Zusammenhang selbst entscheiden, welchen Ansatz wir wählen.

 

Veranstalter der Reihe „Mut zur Nachhaltigkeit“: BMK, Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der BOKU, Institut für Politikwissenschaft und Postgraduate Centre der Universität Wien sowie das Umweltbundesamt im Rahmen der Initiative Risikodialog.

Mit freundlicher Unterstützung von: Kommunalkredit Public Consulting GmbH, OekobusinessPlan Wien, Stiftung „Forum für Verantwortung“ Deutschland.