Wenn wir uns der ökologischen Krise stellen wollen, müssen wir mehr über sie sprechen! Diese Erkenntnis liegt dem Konzept der kritischen Klimadialoge zugrunde, das die Klimaaktivistin Sophia Stanger im Rahmen ihrer Masterarbeit für Peace, Conflict and Development Studies an der University of Bradford entwickelte.

Ausgangspunkt ihrer Idee war die Erkenntnis, dass die aktuelle Umweltkrise sehr konfliktbehaftet ist: „Für mich war die Umweltkrise der Elefant im Raum. Es war ein Konflikt, der manchmal explizit wurde, aber oft im Verborgenen blieb. Es war ein Konflikt in mir selbst, mit anderen Studierenden, mit Mitarbeiter*innen, ein lokaler Konflikt, der die allgemeinen gesellschaftlichen Spannungen und Widersprüche widerspiegelte“, schreibt Stanger im Vorwort ihrer Arbeit (3).

Viele Ursachen, unklare Auswirkungen: Wie auf die Krise reagieren? Image by S. Hermann & F. Richter from Pixabay

Denn das Problem der ökologischen Krise liegt nicht nur darin, dass sie gerne kollektiv verdrängt wird: Während die Krise längst schon wissenschaftliche Realität ist, ist sie noch nicht zu einer sozialen Realität geworden. Als Individuen und in der Gesellschaft setzen wir uns zu wenig damit auseinander, wie wir auf sie reagieren sollen. Daneben existieren zudem noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten über ihre Ursachen und Auswirkungen. Diese sind ideologischer Natur und beruhen auf unterschiedlichen Weltanschauungen und Werten.

Folglich gibt es aber auch keinen Konsens darüber, wie wir auf die Krise reagieren sollen: Sollen wir handeln? Und wenn ja, wie?

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Um sich diesen Fragen zu stellen, braucht es Dialog, der ideologische Grenzen überwindet und Menschen mit unterschiedlichen Werten und Hintergründen zusammenbringt. Es braucht die Bereitschaft, offen aufeinander zuzugehen und voneinander zu lernen. Dass solche Begegnungen trotzdem nicht immer harmonisch verlaufen, sollte von Anfang an klar sein. Dabei sollten Meinungsverschiedenheiten nicht gescheut, sondern offen angesprochen werden. Damit ein Lernprozess gestartet wird, müssen nämlich zunächst bestehende Konflikte sichtbar gemacht und muss allen Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben werden, sich diesen zu stellen. Erst dadurch können wir uns unserer Weltanschauungen und Werte bewusst werden und sie gegebenenfalls hinterfragen. Gelingt dies, lassen wir uns auf einen Prozess transformativen Lernens ein. Dieser bedeutet nicht, dass wir nach so einem Dialog besser über die Umweltkrise informiert sind, sondern dass wir unseren Blickwinkel darauf verändern können und bereit sind, dementsprechend zu handeln.

Kritische Dialoge in der Praxis

Sophia Stanger lud dazu Student*innen und Hochschulmitarbeiter*innen ein, sich miteinander über Umweltgerechtigkeit zu unterhalten. Nach einem kurzen Impulsvortrag zum Thema wurden die Teilnehmer*innen gebeten, darüber nachzudenken, wie ihr eigenes Leben und ihre wissenschaftliche Arbeit mit der Umweltkrise zusammenhängen. Klare Regeln sollten einen offenen Austausch garantieren: Alle Teilnehmer*innen sollten einander aufmerksam zuhören, die anderen Beteiligten als gleich erachten und gemeinsam Verantwortung für die Grundregeln übernehmen.

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Die darauffolgenden Gesprächsrunden boten dann Raum für Auseinandersetzungen in größeren und kleineren Gruppen sowie für persönliche Reflektion. Außerdem gliederte sich jede Dialogveranstaltung in zwei Einheiten, um Fragen aus der ersten Einheit in der Folgeeinheit vertiefen zu können. Jede der Veranstaltungen wurde sorgfältig evaluiert und das Konzept entsprechend adaptiert.

Das Ergebnis: Insgesamt wiesen die Teilnehmenden nach den kritischen Dialogen der Umweltkrise größere Bedeutung zu und waren auch eher bereit, selber aktiv zu werden. Die emotionalen Reaktionen waren gemischt: Jene, die sich zuvor schon für Umweltthemen interessiert hatten, waren meist positiver gegenüber der Krise eingestellt, fühlten sich z.B. stärker befähigt oder weniger wütend oder besorgt. Sie zeigten eine gewisse Erleichterung, endlich auf einer persönlichen Ebene über die Klimakrise sprechen zu können. Jene, die sich vorher kaum mit Klimathemen befasst hatten, nannten hingegen eher Emotionen wie Sorge, Trauer oder Wut. Das konkrete Ergebnis war jedoch ein gemeinsames: Personen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen forderten ambitioniertere Maßnahmen seitens der Universitäten, um Umweltgerechtigkeit zu schaffen.

Nun möchte die Arbeitsgemeinschaft Transition der Fridays For Future das Konzept für kritische Dialoge zusammen mit Gewerkschaften umsetzen. Natürlich könnten diese Dialoge aber auch in Universitäten, Schulen, Kirchengemeinden, Vereinen, Chören etc. stattfinden. Aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen musste das Projekt pausieren, sollte aber wieder ins Rollen kommen, sobald die Infektionslage dies zulässt. Wer selbst einen kritischen Dialog moderieren möchte oder an einer Teilnahme interessiert ist, kann sich bei der Transition AG für ein Dialogtraining anmelden: transition@fridaysforfuture.at.