Das Internet bietet zahlreiche Tipps, wie wir unseren CO2-Ausstoß verringern können: Um das Klima zu retten, sollten wir weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen, das Licht ausschalten etc. Nachhaltigkeitstipps sind ein so fixer Bestandteil von Umweltschutzkampagnen, dass kaum einer in Frage stellt, ob sie auch funktionieren. Aber funktionieren sie auch? Es wird Zeit für eine eingehende Analyse.

Weg vom Informationsdefizitmodell

Verhaltenstipps basieren auf der Annahme, dass das, was den Menschen fehlt, um nachhaltiger zu leben, ein Wissensdefizit ist: Die Menschen wissen einfach nicht, dass ihr Verhalten klimaschädlich ist, und müssen daher über klimafreundlichere Verhaltensoptionen aufgeklärt werden. Das ist aber selten der Fall: Wenn Menschen sich klimaschädlich verhalten (also wenn sie zum Beispiel oft in den Urlaub fliegen, gerne Rindfleisch essen, mit einem SUV fahren, jeden Tag ein Vollbad nehmen und viel heizen), dann machen sie das aus vielen unterschiedlichen Gründen – zum Beispiel weil es ihnen Spaß macht, gut schmeckt, vielleicht bequem und praktisch ist, sie es immer schon so gemacht haben, alle ihre Freund:innen es auch so machen, sie sich dann in ihrer Identität bestärkt fühlen usw. Vielleicht ist ihnen dabei bewusst, dass dieses bestimmte Verhalten nicht klimafreundlich ist; dieses Bewusstsein fließt allerdings nicht in ihre Entscheidung mit ein.

Foto von Amanda Kerr von Pexels

Unser Verhalten wird also vor sehr vielen Faktoren beeinflusst; wie zum Beispiel unseren Werten und unserer Identität (wie wir uns sehen und gesehen werden wollen), dem Vergleich mit anderen (soziale Normen) und unseren Gefühlen. Zentrale Fragen, die wir uns stellen, wenn wir uns in einer neuen Situation für ein Verhalten entscheiden, sind: Wer bin ich? Was ist das für eine Situation? Wie würde jemand wie ich in dieser Situation handeln?

Für Menschen, die Klimaschutz als wichtigen Teil ihrer Identität erachten, kann das Wissen um den CO2-Fußabdruck also ein wichtiger Entscheidungsgrund sein. Folglich sollte diese Gruppe auch empfänglich für klimafreundliche Verhaltenstipps sein. Gleichzeitig ist hier die Chance hoch, dass diese Menschen bereits sehr gut über ihre Möglichkeiten Bescheid wissen, und Verhaltenstipps daher wenig neue Informationen bieten.

Klimaschutz mit Werten verknüpfen

Für Menschen dagegen, denen andere Faktoren (wie Gesundheit, Freiheit, Status oder Genuss) vielleicht wichtiger sind als CO2-Emissionen, sind klimafreundliche Verhaltenstipps weniger sinnvoll. Selbstverständlich kann es vorkommen, dass auch diese sich gerne und oft klimafreundlich verhalten, aber dass dabei nicht die CO2-Reduktion im Vordergrund steht.

Wer sich zum Beispiel als sportlich sehen möchte, fährt mit dem Fahrrad, einfach um fit zu bleiben. Das Wissen um den CO2-Fußabdruck des eigenen Mobilitätsverhaltens würde als Motivation bei dieser Person eine geringere Rolle spielen und deshalb als Argument weniger überzeugen als eben die Fitness. Genauso entscheiden sich Menschen auch für einen Heizkesseltausch oder eine PV-Anlage am Dach, weil das die Wohnqualität und den Wert des Eigenheims steigert und vielleicht rein wirtschaftlich Sinn macht. Es ist daher wichtig, klimafreundliches Verhalten nicht immer mit dem drohenden Weltuntergang zu argumentieren, sondern dabei an die Werte des Zielpublikums anzuknüpfen.

Nicht nur für den Klimaschutz gut: Radfahren.
Foto von Nubia Navarro (nubikini) von Pexels

Bevor wir Menschen einladen, sich klimafreundlicher zu verhalten und Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen, sollten wir uns also immer fragen, wen wir gerade ansprechen wollen, welche Werte diese Gruppe vertritt und wie wir diese Werte mit dem von uns propagierten Verhalten verknüpfen können. Wir sollten auch nachfragen, warum Klimaschutz für diese Zielgruppe wichtig sein könnte und welche Werte gerade sie zum Klimaschutz prädestinieren.

Ein Beispiel: Autofahren wird oft als sehr effizient dargestellt, weil es sich zeitsparend anfühlt. Gleichzeitig kann Effizienz ein wichtiger Wert sein, Klimaschutz ernst zu nehmen und sich klimafreundlich zu verhalten. Narrative rund um den Wert Effizienz können übrigens auch ein konservatives Publikum ansprechen: Es macht einfach keinen Sinn, Energie zu vergeuden, z.B. wenn man bei einer Autofahrt 2t in Bewegung setzen muss, um eine einzige Person von A nach B zu bringen. Wir bringen ja auch unseren Kindern bei, ihre Mahlzeiten aufzuessen und Essen nicht wegzuschmeißen.

Dann sollten wir uns überlegen, welche Informationen und Verhaltenstipps für diese Zielgruppe wirklich noch einen inhaltlichen Mehrwert bieten und welche schon allseits bekannt sind.

Lösungswissen ist wichtig, sollte aber auch politischen Handlungsspielraum aufzeigen

Verhaltenstipps kommunizieren Handlungs- und Lösungswissen, wie die Klimakrise bewältigt werden kann. Da die Krise schon sehr weit fortgeschritten ist, ist jede individuelle Anstrengung gut und wichtig (auch weil unser individuelles Verhalten unsere Mitmenschen beeinflussen und dadurch soziale Normen prägen kann). Trotzdem ist es problematisch, wenn sich dieses Handlungswissen nur auf den privaten individuellen Bereich beschränkt.

Ein reiner Fokus auf individuelle Handlungen hat nämlich implizit zur Botschaft, dass Individuen an der Klimakrise „schuld“ und folglich auch alleinig für die Rettung des Planeten verantwortlich sind (was natürlich so nicht stimmt). Diese überhöhte Verantwortungswahrnehmung kann schnell überfordern: Wenn wir uns bemühen, in allen Bereichen klimafreundlich zu leben, stoßen wir schnell an unsere Grenzen, weil die sozialen Normen und strukturellen Rahmenbedingungen bei uns in Österreich einen hohen CO2-Fußabdruck begünstigen. Klimaschädigendes Verhalten ist oft billiger, einfacher, praktischer und zeitsparender als klimafreundliches Verhalten. Wenn wir also alles richtigmachen möchten, müssen wir ständig „gegen den Strom schwimmen“, was sehr anstrengend ist.

Als Individuum ist es kaum möglich, aus dem System, das auf fossilen Brennstoffen beruht, auszubrechen. Foto von Pixabay/Pexels

Was es daher braucht, ist ein Systemwandel, der es allen Menschen erlaubt, auf unkomplizierte, zeitsparende und günstige Weise klimafreundlich zu leben. So ein Systemwandel passiert nicht von selbst, sondern baut auf dem Engagement vieler Menschen auf, die sich für diesen Wandel einsetzen.  

Wenn wir Handlungswissen kommunizieren und Verhaltenstipps geben, sollten diese auch immer die politischen und partizipativen Möglichkeiten aufzeigen, sich für Veränderungen im System einzusetzen.

Beispiel Verkehrswende

Anstatt Menschen zu sagen, dass sie weniger Auto fahren sollen, könnten wir zum Beispiel kommunizieren, was passieren müsste, damit alle Menschen sich klimafreundlich von A nach B bewegen können: Es braucht ein gutes, billiges öffentliches Verkehrsnetz, Obergrenzen für Autos in Städten, intelligente Car-Sharing-Systeme, sichere Radwege und genug Platz für aktive Mobilität. Die Maßnahmen hätten viele zusätzliche Vorteile (Stichwort Co-Benefits), z.B. für unsere Gesundheit (weniger Feinstaubbelastung, geringere Gefahr von Asthma oder schweren Verläufen bei Covid), die Lebensqualität (wir wären frei, unser Verkehrsmittel selber zu wählen, es gäbe mehr Platz für Grünflächen und aktive Mobilität, unsere Kinder wären viel sicherer im Straßenverkehr), wir müssten keine Treibstoffe aus dem Ausland importieren usw. Der Wandel zu nachhaltiger Mobilität braucht die aktive Teilnahme der Bevölkerung: Individuen können sich zum Beispiel in ihrer Firma für nachhaltiges Mobilitätsmanagement einsetzen, bei einer Critical Mass mitfahren, ihre Bürgermeisterin oder Bezirksvorsteherin anschreiben, ihr Auto mit den Nachbarn teilen etc.

Abseits von zivilgesellschaftlichem Engagement: welche Handlungsoptionen sollten wir aufzeigen?

Wenn wir Lösungen für die Klimakrise propagieren und Menschen einladen, sich für diese einzusetzen, sollten wir diese nach bestimmten Qualitätskriterien aussuchen:

Tatsächlicher Beitrag zum Klimaschutz

Ablenkung von den großen Problemen dieser Welt: Papierstrohhalme. Foto von Sarah Chai von Pexels

Wenn die Verhaltensänderung kaum eine Wirkung hat, stellt sich die Frage, warum wir die Zeit und Energie verschwenden, uns dafür einzusetzen. In der Folge fühlen sich die Rezipient:innen nicht ernst genommen. Ein Beispiel: Eine kleine Klimaschutzinitiative wollte mir einmal verkaufen, dass ich mit gemeinsamen Plastikdeckel-Sortieraktionen das Klima retten könne. Ich bin nicht zur Aktion gegangen, da ich nicht das Gefühl hatte, dass mein Kommen den Klimaschutz positiv beeinflussen könnte. Vielleicht hätte ich aber aus einem anderen Grund teilgenommen, z.B. wegen des tollen Gemeinschaftsgefühls oder weil man was gewinnen kann etc. – ein Überdenken der Argumente für etwas lohnt sich also auch.

Leichte Umsetzbarkeit

Wenn eine Klimaschutzmaßnahme sehr mühsam ist, wird sie nicht einfach von der Nische zur Norm werden. Folglich empfiehlt es sich, weniger radikalen Verhaltensänderungen den Vorzug zu geben. So ist es zum Beispiel für viele Menschen unrealistisch, sich komplett vegetarisch oder vegan zu ernähren. Trotzdem bedeutet das nicht, dass sie bei jeder Mahlzeit Fleisch oder tierische Produkte essen müssen. Zwischen den beiden Extremen gibt es einen großen Graubereich, der viel Spielraum für Veränderung zulässt. Es macht also Sinn, moderate Lösungen (z.B. zwei fleischfreie Mahlzeiten pro Tag) zu propagieren.

Effektives Feedback

Zahlreiche Studien haben ergeben, dass Feedback (z.B. darüber, wie viel Energie man – oder die Firma – dank der Bemühungen einsparen konnte) die Disziplin oder das Bemühen steigern kann.

Einfache Verhaltenstipps sind oft nicht das, was die Menschen, die wir überzeugen wollen, brauchen. Aber natürlich wollen wir in unserer Kommunikation für das Klima Beispiele und praktische Anregungen bieten. Dann können Einladungen zur Verhaltensänderung auch sinnvoll sein – vorausgesetzt, dass wir gewisse Punkte beachten und eine sinnvolle Auswahl treffen.

Weiterführende Links

Informationen führen nicht zu weniger Fleischkonsum

Want some eco-friendly tips? A new study says no, you don’t

Handbuch Klimakommunikation – Kapitel 10: Zeige Handlungsoptionen und Lösungen auf

How Moderation Could Accelerate Climate Action