Just Transition und was wir daraus machen können
Eines ist klar: „Klimapolitische Fragen sind immer auch verteilungspolitische Fragen“ (Positionspapier österreichischer Umweltorganisationen, Gewerkschaften und sozialer Verbände). Oder, alltagsnäher formuliert: Wenn ein Land seinen CO2-Ausstoß reduzieren muss, den Ausstieg aus der Kohleproduktion und die Förderung erneuerbare Energien plant, was passiert dann mit der Gesellschaft dort?
Das Schlagwort, das die Antwort liefern soll, lautet Just Transition. Die Rede ist davon meist im Zusammenhang mit der „Energiewende“. Die Idee dahinter: Kosten und Nutzen einer Gesellschaft, die nachhaltig und mit erneuerbaren Energien wirtschaftet, müssen gerecht verteilt werden und dürfen niemanden vernachlässigen. Der Begriff umfasst
- soziale und politische Teilhabe,
- gerecht verteiltes Vermögen,
- Berücksichtigung von Bedürfnissen und Interessen Einzelner bzw. einzelner gesellschaftlicher Gruppen, insbesondere auch der Beschäftigten in konventionellen Energiesektoren,
- Umschulungskonzepte und Jobperspektiven für jene, die in der Umstrukturierung ihren Job verlieren könnten,
- Schaffung von „Green Jobs“ bzw. Arbeitsplätzen in neuen Sektoren und Branchen, die mit den zu erreichenden Energie- und Umweltzielen konform gehen.
Das klingt schön und vernünftig – und etwas utopisch. Die Schwierigkeit liegt in zwei Bereichen: zum einen in der konkreten Umsetzung und zum anderen in der Kommunikation darüber. Denn, wie es die britische Organisation Climate Outreach in einem Bericht formuliert: Um Erfolg zu haben, muss Just Transition auf einem praktischen und machbaren Plan gründen – und die Diskussion darüber muss auf die legitimen Bedenken der Betroffenen eingehen.
Was wird bereits getan?
Bei Just Transition ist per definitionem nicht nur die Politik gefragt (und das auf allen Ebenen von der Regierung bis zur kleinen Gemeinde), sondern es müssen alle direkt und indirekt Beteiligten eingebunden werden. In der Arbeitswelt sind das z. B. Betriebsräte, Gewerkschaften und natürlich Beschäftigte der betroffenen Branchen. In Sachen politischer Teilhabe gilt es, Vertreter*innen aller gesellschaftlichen Gruppen – auch und besonders von Minderheiten – einzubinden.
Einige Entscheidungsträger*innen scheinen sich sehr zu bemühen, diese Grätsche zu schaffen. Das oben erwähnte Positionspapier etwa definiert drei erste Ziele und macht dabei Druck für rasche und konkrete Ergebnisse:
- Einbindung der Zivilgesellschaft durch einen sinnvollen Beteiligungsprozess mit fairer Auswahl der Vertreter*innen, strikt faktenbasiertem Arbeiten und regelmäßiger Berichterstattung, damit tatsächlich Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.
- Roadmaps für Unternehmen, die z. B. in die Dekarbonisierung involviert sind.
- Regionale und branchenspezifische Förderungen insbesondere für jene Personen und Regionen, die von den Veränderungen unmittelbar betroffen sind (Umschulungen bei möglichem Arbeitsplatzverlust oder notwendigem Branchenwechsel, Förderungen für strukturschwache Regionen, die aktuell von fossilen Energieträgern abhängig sind).
Zu letzterem Zweck hat die EU kürzlich einen eigenen Just Transition Fund geschaffen, der einen „Systemwechsel hin zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft“ unterstützen soll. Rund 100 Milliarden Euro sollen dafür bereitgestellt werden, Österreich erwartet daraus 53 Millionen. Damit sollen vor allem Regionen und Wirtschaftszweige mit besonders großem CO2-Ausstoß bei einem „Umstieg“ unterstützt werden. Wie genau Österreich seine Mittel einsetzen wird, entscheidet sich allerdings erst in den nächsten Monaten.
Insgesamt steht der Übergangsprozess, so oft er in jüngster Zeit auch zitiert wird, noch ganz am Anfang. Auf Länderebene sind konkrete Ziele und Maßnahmen in Ausarbeitung, es finden sich erste Positionspapiere und Forderungskataloge zur Umsetzung eines „nachhaltigen Übergangs“. Für Deutschland hat die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 ein Papier mit dem Titel „Wege zu einer nachhaltigen Arbeitswelt“ veröffentlicht. Es orientiert sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen und der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und hat zum Ziel, „wissenschaftlich fundierte Impulse für politische Akteure“ zu liefern. Enthalten sind Forderungen und erste Vorschläge zur Umsetzung, konkrete Beispiele können dementsprechend noch nicht geliefert werden.
Für Österreich findet man einen ausführlichen Freiwilligen Nationalen Bericht zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele, herausgegeben vom Bundeskanzleramt. Hier steht nicht so sehr die Arbeitswelt im Vordergrund, Fokus und Ziel ist das Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 – mit ausgewählten Schwerpunktsetzungen, die die Ziele einer Just Transition widerspiegeln, nämlich Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz. Auch hier wird ein breiter Ansatz verfolgt, der Vertreter*innen aus allen Politikebenen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einbinden soll. Natürlich geht es stark um politische Erfolgsdarstellung. Da der Bericht aber auf Informationen zur aktuellen Rechtslage und bereits laufenden Initiativen basiert, die im stetigen Austausch der beteiligten Vertreter*innen und Organisationen gesammelt wurden, wird er stellenweise recht konkret. Einige der „Erfolgsgeschichten“ und bereits laufenden Projekte, die darin schlaglichtartig beleuchtet werden, eignen sich als Best-Practice-Beispiele in der Diskussion. (Näheres dazu in einem folgenden Artikel.)
Und wie rede ich darüber?
In der Kommunikation über Just Transition geht es aber um mehr. Denn Definitionen und Ziele bleiben oft abschreckend abstrakt, und selbst mit Beispielen erreicht man oft nur die ohnehin Aufgeschlossenen. Um alle Akteur*innen ins Boot zu holen – insbesondere die kritischen – müssen Energiewende und fairer Übergang etwas Erstrebenswertes sein. Das können wir nur vermitteln, wenn wir konkret werden – und die Lebenswelt der Kritiker*innen berücksichtigen.
Climate Outreach hat dazu einen Bericht verfasst, der auch begründete Kommunikationsempfehlungen für die Diskussion über Just Transition gibt. Die wichtigsten Botschaften daraus:
Darüber reden, was die Menschen wirklich betrifft: Allgemeine Schlagworte und Grundsatzdiskussionen führen meist ins Leere und können Positionen verhärten (mehr dazu hier). Im Fokus stehen müssen die greifbaren Benefits – etwa reinere Luft und bessere Gesundheit. Natürlich ist die Klimakrise das zentrale Thema – doch das gelingt am besten, indem sie in ihren Auswirkungen veranschaulicht wird.
Ehrlich und angemessen formulieren: „Übergang“ ja, aber wohin führt er? Nach Meinung vieler Gewerkschafter*innen (und derer, die sie vertreten) in die Arbeitslosigkeit. „Transition“, also Übergang, klingt so leicht und machbar. In den Augen der Betroffenen ist das zynisch – und der Begriff daher kontraproduktiv. Nennen wir in der Diskussion die Dinge beim Namen, anstatt zu vereinfachen oder zu beschönigen. Betiteln wir sie nicht mit „Just Transition“, sondern etwa mit „Klima und Arbeit“. Sprechen wir von „Herausforderungen“, denn das sind sie.
Auf Augenhöhe und mit Respekt: Menschen erwarten, dass man ihre Verdienste und ihr Engagement anerkennt. Auch Kohlearbeiter und Krabbenfischer identifizieren sich mit ihrem Job, mit seinen Traditionen und der Plackerei, die er bedeutet, ob er nun nachhaltig ist oder nicht.
Offener Diskurs statt Vorwürfe: Zudem sind Menschen tendenziell sicherheitsbedürftig und in ihrem Umfeld verwurzelt. Wenn der Familienbetrieb oder das traditionelle Einkommen plötzlich bedroht ist, weil sie „nicht nachhaltig“ sind, verunsichert das. Menschen, die sich durch (vermeintliche) Vorwürfe in die Enge getrieben fühlen, lassen sich nicht gern auf Veränderungsprozesse ein, und seien sie noch so „fair“.
An traditionellen Stolz anschließen und positive Begriffe erweitern: Kohleabbau mag eine Ressource sein, die eine Gesellschaft geprägt hat. Warum soll nicht auch Wasser oder Windenergie zu so einer Ressource werden? Climate Outreach hat etwa gute Erfahrungen damit gemacht, ganz allgemein von „natürlichen Ressourcen“ zu sprechen und alles einzubinden, was als solche Tradition hat. Die Menschen werden in ihrem bestehenden (Berufs-)Stolz und ihrer Verbundenheit zu ihrem Umfeld angesprochen. Die Tradition kann übergeführt werden in den Stolz darauf, etwas für die Zukunft zu schaffen.
Für alle, die als Klima-Kommunikator*innen fungieren, zwei weitere wesentliche Punkte: Zum einen braucht es die passenden Botschafter*innen, um die Energiewende positiv zu kommunizieren: am besten aus den eigenen Reihen der Skeptiker*innen, etwa aus der Gewerkschaft. Und, vielleicht noch wichtiger: Es braucht eine respektvolle Darstellung all jener, die z. B. in der fossilen Energiewirtschaft arbeiten und sich in der „Energiewende“ benachteiligt fühlen. Der Fokus soll auf Leben und Arbeit der Menschen liegen und diese angemessen ins Bild bringen. (Climate Outreach sammelt übrigens in einer eigenen Fotodatenbank Medien, die Klimathemen authentisch und in ihren konkreten Auswirkungen darstellen).
Tendenziell positive Grundstimmung fördern
Um zu erreichen, dass möglichst viele Menschen die Energiewende möglichst positiv wahrnehmen, braucht es Verständnis für ihre Sorgen und die Bedeutung des Themas für sie, aber auch die passende Sprache und den angemessenen Zugang. Es gilt jene Aspekte des Übergangs in den Fokus zu rücken, die für die Mehrheit wichtig sind.
Laut dem Bericht zeigen die Untersuchungen von Climate Outreach, dass weite Teile der britischen Bevölkerung einer gerechten Energiewende positiv gegenüberstehen. Die entsprechend positive Kommunikation wohl vorausgesetzt.
Für Österreich und Deutschland gibt es einige wenige Daten über die Zustimmung zur Energiewende. Demzufolge befürworten rund 90 % der Deutschen den Ausbau Erneuerbarer Energien, insbesondere, wenn es sie direkt betrifft. Für Österreich heißt es, dass sich im Durchschnitt 70‒80 % der Menschen für Erneuerbare Energien aussprechen. Auch zeigen erste Publikationen, dass es schon Pläne und erste Projekte in Sachen Just Transition gibt. Doch das bleiben Einzelinitiativen; ansonsten wird das Thema gerade erst in politische Zielsetzungen gegossen. Umso wichtiger für die breite Akzeptanz wird sein, dass und wie wir darüber kommunizieren.
Ich hoffe, in einiger Zeit hier mit einem Beitrag anschließen zu können, in dem die Ausgangsfrage nicht mehr lautet: „Was ist Just Transition?“, sondern „Was tut sich in Sachen Just Transition?“
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