Am 30.8.21 hielt ich als Vertreterin des Klimavolksbegehrens die Eröffnungsrede bei der evangelischen PfarrerInnentagung in Reichenau an der Rax. Ich sollte die Pfarrerinnen und Pfarrer auf die Tagung einstimmen und dazu motivieren, sich im Rahmen ihrer Arbeit für Klimaschutz einzusetzen.

Beim Schreiben der Rede bemühte ich mich, mein Wissen über Klimakommunikation anzuwenden:

  • Ich überlegte mir, warum Klimaschutz aus Sicht der evangelischen Kirchen wichtig sein könnte und wie ich Klimaschutz mit christlichen Werten verknüpfen könnte. Dementsprechend war Gerechtigkeit ein wichtiges Framing in meiner Rede.
  • Ich recherchierte, was in den evangelischen Kirchen bereits alles in Bezug auf Schöpfungsverantwortung und Klimaschutz passiert. Diese Initiativen mussten unbedingt erwähnt und sichtbar gemacht werden, damit sich mehre Gemeinden ihnen anschließen, bzw. diese imitieren konnten.
  • Ich entwarf eine positive Vision der Zukunft und lud ein, auf diese hinzuarbeiten.
  • Ich unterstrich, dass die Klimakrise weit mehr als nur eine Umweltkrise ist.
  • Ich legte den Fokus auf die Dinge, die wir schützen wollen.
  • Außerdem dachte ich darüber nach, wie ein speziell evangelischer Beitrag zum Klimaschutz ausschauen könnte.

Hier finden Sie den Pressebericht zur PfarrerInnentagung, sowie eine (etwas gekürzte) Version meiner Rede:

Sehr geehrte Damen,

vielen Dank für die Einladung, es ist für mich eine große Ehre und Freude, heute hier bei Ihnen sein zu dürfen. Vielen Dank, dass Sie eine Tagung zu dem wirklich extrem wichtigen Thema Schöpfungsverantwortung veranstalten.

Ich bin als Vertreterin des Klimavolksbegehrens hier um Sie auf diese Tagung einzustimmen – dabei bin ich nur eine von unglaublich vielen Freiwilligen des Klimavolksbegehrens, was auch immer sich zeitlich ausgeht, die viel Freizeit und Energie damit verbringen, sich für mehr Klimaschutz in Österreich einzusetzen. 

Im letzten Jahr hatte ich das Glück mit vielen zusammenzuarbeiten: Es sind Frauen und Männer allen Alters, aus allen Bundesländern und mit den unterschiedlichsten Hintergründen, Väter und Mütter so wie ich, Studentinnen und Studenten und Großeltern. Ich persönlich bin erst nach der Eintragungswoche dazu gestoßen, wo man ja eigentlich meinen könnte, dass unsere Arbeit schon vorüber sei, da wir ja keine Stimmen mehr sammeln können. 

Trotzdem müssen wir uns natürlich weiter engagieren: Warum wir uns weiter engagieren müssen ist natürlich ganz klar. Wir sind noch weit von unserem Ziel entfernt. Denn nur weil sich viele Menschen in Österreich mutigen Klimaschutz wünschen, heißt das noch lange nicht, dass dieser auch umgesetzt wird. 

Wir haben zum Beispiel in Österreich im Moment kein gültiges Klimaschutzgesetz, welches garantiert, dass wir Menschen in der Bevölkerung vor der Klimakrise geschützt werden und dass unser Land seinen vertraglichen Verpflichtungen beim Klimaschutz nachkommt. 

Zum Glück zeigt sich die Zivilgesellschaft viel innovativer und klima-mutiger als die Politik. Es passiert schon wirklich viel: in der Klimabewegung, beim Klimavolksbegehren, und hier in den evangelischen Kirchen. 

Ich weiß von 

  • Umweltarbeitskreisen und Umweltausschüssen
  • von dem Projekt Klimaschutzkonzept der evangelischen Kirchen AB und HB
  • von den Bemühungen um Wirtschaften im Dienste des Lebens
  • von der Beteiligung der evangelischen Jugend bei den weltweiten Klimastreiks
  • und von dem Ausrufen des Schöpfungsjahres 2022

Schon allein die Tatsache, dass Sie hier eine Tagung zum Thema Schöpfungsverantwortung veranstalten, zeigt, wie stark der Wunsch nach Veränderung, nach einem Ausweg aus der Krise ist. 

Auch das Klimavolksbegehren hat schon viel erreicht. So wird es auf Initiative des Klimavolksbegehrens zum Beispiel einen Klimabürgerrat geben, in denen Bürgerinnen und Bürger selber Lösungen auf die Klimakrise erarbeiten und ihren Bedürfnissen Gehör verschaffen können. 

Dieser Erfolg ist auch Ihnen zu verdanken. Denn damit genug Stimmen gesammelt werden konnten, kooperierten wir nicht nur mit den üblichen Verdächtigen, also den Umweltschutzorganisationen, sondern auch mit den Religionsgemeinschaften, der katholischen und den evangelischen Kirchen, der Diakonie, und der Caritas. Ich möchte mich hiermit herzlich dafür bedanken, dass  Sie das Klimavolksbegehren unterstützt haben!

Diese Kooperation war insofern wichtig, da das Klimavolksbegehren aus der sogenannten “Grünen Blase” rauskommen sollte, und es auch Menschen unterzeichnen, die sich selber nicht als “Ökos” oder als “grün” bezeichnen. Eigentlich sollte das logisch sein, denn die Klimakrise ist ja längst nicht nur eine Umweltkrise. Sie betrifft leider unsere ganze Gesellschaft und alle Aspekte unseres Lebens.

Zum einen stellt sie uns vor ein großes Gerechtigkeitsproblem. 

  • Es ist ungerecht, dass wir unseren Kindern die Welt in einem Zustand überlassen, der ihnen kein gutes Leben mehr ermöglicht.
  • Es ist ungerecht, dass vor allem die Menschen im globalen Süden am Stärksten von Naturkatastrophen betroffen sind, obwohl genau sie am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.
  • Es ist ungerecht, dass vor allem einkommensschwache Menschen an stark befahrenen Straßen, Flughäfen, Kohlekraftwerken und in den schlimmsten Hitzeinseln in der Stadt wohnen müssen, weil sie sich schlichtweg nichts anderes leisten können, und unter dem Lärm und der Luftverschmutzung leiden, die vor allem andere Menschen produzieren.
  • Es ist auch ungerecht, dass biologische gesunde Lebensmittel für viele Menschen nicht erschwinglich sind und die gemeinsame Agrarpolitik der EU Kleinbauern, die ja unsere Landschaften in Österreich prägen, benachteiligt. 

Diese Ungerechtigkeiten dürfen wir nicht zulassen.

Die Klimakrise ist auch ein Gesundheitsproblem: Hitze, Luftverschmutzung und die Verbreitung von tropischen und neuen Krankheitserregern wie das Coronavirus bei uns schaden unserer Gesundheit. 

Die Klimakrise bedroht unsere nationale Sicherheit, da Naturkatastrophen die Lebensgrundlagen von immer mehr Menschen zerstören und sie zwingen, ihr zu Hause zu verlassen und neue Heimaten zu suchen. Wir können diese Menschen doch nicht im Stich lassen.

Sie gefährdet unsere Wirtschaft, die Landwirtschaft und viele landwirtschaftliche Produkte, mit denen wir uns identifizieren und die unseren Alltag bereichern, wie Bier, also Hopfen, Kaffee, Schokolade oder den Grünen Veltliner, der hier aus Österreich verdrängt wird, weil es ihm zu trocken und zu heiß wird.

Die Klimakrise betrifft auch unsere kulturelle Identität: Es geht ja, und hier werde ich ein bisschen kitschig, auch um unsere Heimat und ihre Landschaften, die Orte unserer Kindheit, die Jahreszeiten mit ihren Traditionen und Festen, und alles, was wir lieben und schützen wollen. Und davon gibt es so viel. 

Neben den Dingen, die ich soeben erwähnt habe, würde ich noch unseren Rechtsstaat und die Demokratie hinzufügen, oder auch den Frieden, den wir hier in Österreich die letzten 76 Jahre genießen konnten.

Leider warnen uns populistische Politiker immer nur davor, worauf wir alles verzichten müssen und fragen uns nicht, was uns denn als Gesellschaft ausmacht und was wir schützen wollen. Ich denke, anders gefragt würde unsere Antwort ganz anders ausschauen.

Denn eigentlich berufen wir uns doch auf Werte, durch die es selbstverständlich sein sollte, dass wir uns mutig für Veränderung und Auswege aus der Krise einsetzen. Unser Sinn für Gerechtigkeit, unsere christliche Nächstenliebe, unser Verantwortungsbewusstsein. 

Auch die Verbundenheit zu unserer Umwelt: Pünktlich zu Sommerbeginn singen wir in den evangelischen Kirchen das Lied “Geh aus, mein Herz und suche Freud” und besinnen uns auf alles, was unsere großartige Schöpfung ausmacht. 

Setzen wir uns also mutig für Veränderung ein! 

Doch bevor wir loslegen, müssen wir uns fragen: Welche Veränderungen brauchen wir? Was müssen wir tun, um unserer Verantwortung gerecht zu werden? Müssen wir zurück in die Steinzeit, wie uns unverantwortlich populistische Politiker warnen? Muss jeder von uns etwas von sich aufgeben und aufopfern, damit wir das große Ganze retten können?

Ich könnte hier auch wieder an unsere christlichen Werte appellieren und argumentieren, dass es wichtigere Dinge gibt als den materiellen Reichtum dieser Welt: Gemeinschaft, Freundschaft, Frieden, Hoffnung, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit oder Vertrauen würden mir spontan einfallen.

Natürlich ist es wichtig, dass alle Menschen genug zum Leben haben und dass wir uns auf das wirklich Wesentliche besinnen. Täglicher Fleischkonsum und regelmäßige Flugreisen zu exotischen Feriendestinationen gehören wohl nicht dazu. Es hat auch für uns viele Vorteile, wenn wir uns als Einzelne bemühen, besonders klimafreundlich und auf kleinem Fuß zu leben. Wir würden dadurch gesünder und fitter werden und könnten auch einiges an Geld sparen. 

Aber trotzdem bin ich nicht hier mit einer Botschaft des Verzichts. Konsumverzicht alleine kann nicht die Ungerechtigkeiten beseitigen, die ich zuvor beschrieben habe. Er baut uns keine öffentlichen Verkehrsmittel und Infrastruktur, bremst die galoppierende Bodenversiegelung nicht ein, und schafft keine Investitionen in erneuerbare Energie. 

Wir müssen also größer denken und uns fragen, wie wir denn als Gesellschaft zusammen leben möchten und welchen Beitrag wir als Kirche dafür leisten können. 

Es braucht einen breiten öffentlichen Diskurs, der sich diesen Fragen stellt: Wie kann es uns gelingen, dass wir ein gutes Leben für alle schaffen, ohne unsere Lebensgrundlage, und alles, was wir bereits als schützenswert erkannt haben, zu zerstören? Wie soll unsere Zukunft ausschauen?

Die gute Nachricht ist, dass viele Klimaschutzmaßnahmen uns eine unglaubliche Chance bieten. 

Durch sie könnten wir unsere Gesellschaft gerechter und lebenswerter gestalten. 

  • Wir haben die Möglichkeit lokal saubere Energie zu produzieren und dadurch unsere Abhängigkeit von Ölscheichs zu beenden.
  • Wir haben die Möglichkeit in öffentliche Verkehrsmittel und aktiven Individualverkehr zu investieren, sodass Eltern nicht mehr um die Sicherheit ihrer Kinder im Straßenverkehr bangen müssen.
  • Dank weniger Autos in der Stadt und in unseren Orten bekämen wir wieder mehr Platz zum Leben, zum gemeinsam Verweilen auf öffentlichen Plätzen, für mehr Bäume und Grünflächen, die unseren Ort lebenswert machen. Unsere Kinder wären gesünder – dank der sauberen Luft – fitter und sicherer.
  • Das passt ja auch eigentlich zu den Bildern der alttestamentlichen Weissagungen, bei denen Alt und Jung gemeinsam auf öffentlichen Plätzen sitzen, bzw. spielen. Aber da kennen Sie sich besser aus als ich.
  • Dank revitalisierter Ortskerne erübrigen sich auch lange Autofahrten zum Einkaufen an den Ortsrand oder zum Arbeitsplatz in die ferne Stadt.
  • Aber die Möglichkeiten gehen noch weiter und ich kann sie hier gar nicht alle erwähnen. Wir könnten uns für eine Landwirtschaft einsetzen, die die Erderwärmung nicht weiter anheizt, sondern das Wohl der Tiere, der Landschaft, und auch der Bäuerinnen und Bauern berücksichtigt.
  • Wir sollten uns als Gemeinschaft sehen und Güter, die wir nur selten brauchen, wie Autos, Rasenmäher, Bohrmaschinen, und so weiter, miteinander zu teilen.
  • Und wenn wir uns als Gemeinschaft sehen, ändern sich auch unsere Perspektiven und Blickwinkel und es wird uns klar, dass wir Probleme und Krisen nur als Gemeinschaft meistern können. 

Wir sollten diese Möglichkeiten nutzen! 

Mir ist schon bewusst, dass viele der Maßnahmen, die ich erwähnt habe, außerhalb unseres direkten Einflussbereichs liegen – ich spreche ja hier zu Ihnen, zu Pfarrerinnen und Pfarrern und nicht zu Politikerinnen und Politikern. Leider hat sich in den letzten 30 Jahren herausgestellt, dass wir die Politik erst motivieren und überreden müssen, klima- und menschenfreundlichere Maßnahmen umzusetzen. 

Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir eine positive Vision unserer Zukunft und unserer Gesellschaft brauchen, damit wir die Hoffnung und den Mut bekommen, die Gestaltung einer besseren Welt in die Hand zu nehmen. Eine Vision, für die es sich lohnt, auf die Straße zu gehen. Damit wir wieder sagen können, dass es unseren Kindern einmal besser gehen wird.

Als Mitglieder der evangelischen Kirchen müssen wir uns überlegen, welchen Beitrag wir zur Umsetzung dieser Vision leisten können. Ich hoffe also sehr, dass Sie diese Tagung nutzen können, zum gegenseitigen Austausch, zum “Einander-Inspirieren”, damit Sie diese positive Vision einer besseren Welt in Ihre Gemeinden tragen können. Damit Sie auch andere ermutigen können, sich für eine bessere und gerechtere Gesellschaft einzusetzen und ihre Gestaltung in die Hand zu nehmen. Diesen Mut haben wir dringend nötig.

Sie können auch, wo auch immer Sie Einfluss haben, nachhaltige Strukturen schaffen, die es anderen Menschen ermöglichen, klimafreundlich zu leben. Mich inspiriert hier vor allem die Arbeit des ebenfalls leider tragisch verunglückten Norman Tendis mit seiner visionären Initiative Wirtschaften im Dienst des Lebens.

Und einen letzten Appell habe ich noch für Sie: laden Sie zum Gespräch ein! Wir wissen doch alle, wie schwer es uns fällt, uns der Klimakrise zu stellen. Wir können sie nicht als Einzelne lösen, und daher verdrängen wir sie lieber und beschäftigen uns mit Problemen, die für uns schaffbarer scheinen. 

Außerdem lösen die Veränderungen, die auf uns zukommen, also einerseits die klimatischen und andererseits die Maßnahmen, die notwendig sind, um uns vor der Klimakrise zu schützen, große Angst aus. 

Es ist wichtig, dass sich Menschen über diese leider berechtigten Ängste austauschen können und ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich konstruktiv mit der Krise und der eigenen Betroffenheit auseinanderzusetzen. Wenn wir gemeinschaftlich Lösungen erarbeiten, spüren wir die Selbstwirksamkeit, die uns motiviert, unsere Welt aktiv zu gestalten. Es ist klar, dass wir uns angesichts der großen Krise alleine und hilflos fühlen, und deshalb sollten wir den notwendigen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit als Gemeinschaft angehen. 

Und welche Gemeinschaft eignet sich dafür nicht besser als die christlichen Gemeinden? Es ist ja in den evangelischen Kirchen Tradition, Themen von unten, also von der Basis aufzugreifen und zu diskutieren. Der öffentliche Diskurs, wie wir als Gesellschaft miteinander leben möchten, sollte noch viel breiter geführt werden und mehr Menschen ansprechen, sodass diese die Lust und den Mut bekommen, sich einzubringen. 

Laden Sie also zum gegenseitigen Austausch ein! Gerne möchte ich mit Ihnen überlegen, wie solche Gespräche umgesetzt werden könnten, und freue mich, wir in einen Dialog treten können. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine konstruktive, mut-machende und inspirierende Tagung.