Ingrid Brodnig: Einspruch! – Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online. Strategien und Tipps, damit Fakten wirken. Brandstätter, 2021

Wer kennt das nicht: Eine Diskussion im Freundeskreis, es geht ums Klima. Jemand streut Zweifel oder rückt mit einer absurden Theorie an. Wir selbst, überzeugt von unserem eigenen Standpunkt, halten dagegen. Und je überzeugter wir sind, desto eher verhärten sich die Fronten, und es wird emotional.

Ingrid Brodnig, Expertin für digitale Medien und Kommunikation im Netz, beschreibt in ihrem Buch „Einspruch!“, wie wir in solchen Situationen reagieren, welche Muster in der Diskussion es gibt und durch welche Strategien wir mit Fakten punkten können. Denn eines ist klar: Am besten, wir gehen möglichst sachlich an eine Diskussion heran, anderenfalls wird sie uns schnell frustrieren.

Vermitteln hilft. Verhärtete Fronten verschärfen den Tonfall und machen Menschen, die vielleicht ohnehin schon eine feste Meinung haben, umso weniger empfänglich für andere Standpunkte („Nasty Effect“). Die gute Nachricht: Experimente zeigen, dass auch der umgekehrte Effekt möglich ist. Wenn in einer Debatte also offensichtlich moderiert wird oder in einem Online-Forum Beleidigungen ausdrücklich verboten sind, wirkt das der Spaltung entgegen. Es lohnt sich also, das Ruhigbleiben zumindest zu versuchen.

Menschen mit der Diskussionstaktik dort abholen, wo sie stehen. Was, wenn Moderieren allein nicht hilft? Ein möglicher Weg ist, dort anzusetzen, wo sich unser Gegenüber informiert: Gibt es Quellen, denen er oder sie (noch) vertraut? Haben diese Vertrauenswürdiges zu unserem Diskussionsthema geliefert? Wenn ja, sollten wir dort einhaken.

Fake News, Verschwörungstheorien und Co aktivieren Menschen, indem sie Emotionen auslösen – allen voran Wut oder Angst. Das ist nicht nur ihr Erfolgsrezept, weil sie von Weiterverbreitung und Reaktion abhängig sind.

Es ist auch eine Erklärung dafür, warum die Attraktivität solcher Desinformation in Krisenzeiten steigt: Sie liefert einfache Erklärungen in Zeiten der Desorientierung, verleiht das Gefühl von Kontrolle und steigert das Selbstwertgefühl verunsicherter Menschen.

Woher beziehen wir unsere Informationen?
(c) USA-Reiseblogger / pixabay.com

Alles kritische Geister?

Gleichzeitig überschätzen Menschen Untersuchungen zufolge ihre Fähigkeit, Fake News als solche zu erkennen. Das schnelle Einordnen erster Eindrücke, unser „Autopilot“ im Alltag, macht uns in diesem Fall fehleranfällig, obwohl wir uns selbst für kritisch und sachlich halten. Brodnigs Tipp daher:

„Appellieren Sie an die Selbstwahrnehmung, ein kritischer Geist zu sein, aber lenken Sie dann die Aufmerksamkeit auf Logikfehler.“

„Einspruch“, S. 57

Falschmeldungen sind nicht immer leicht zu erkennen – auch deshalb, weil sie häufig eingebettet in pseudowissenschaftlichen Kontext auftreten. Vermeintlich verlässliche Argumente sind nicht immer ohne genaueres Hinsehen (oder gar Recherche) zu demaskieren. Im Zweifel gilt hier der Tipp: Wertschätzend bleiben. Ernsthaft und höflich nachfragen, warum die Person das denkt und woher sie das Argument hat.

Logikfehler erkennen lernen – und vorführen. Menschen neigen zur Mustererkennung, auch bei zufälligen Zusammenhängen. Aus scheinbaren Kausalitäten werden schnell Verschwörungsideen oder Verdächtigungen. Gegensteuern können wir, indem wir Logikfehler erkennen lernen: Das können voreilige Schlüsse ebenso sein wie „Rosinenpicken“ einzelner Fakten oder nicht haltbare Vergleiche. Auch anekdotische Beweise sind gerade in der Klimakrisen-Diskussion häufig – zum Beispiel, wenn jemand angesichts einer Kälteperiode argumentiert, es könne doch keine Erderhitzung geben. Das Gute an dieser Vorgehensweise: Wer einmal darauf trainiert ist, kann sie nicht nur in verschiedenen Kontexten anwenden, sondern sie auch rhetorisch nutzen und in der Diskussion beispielhaft einsetzen.

Auf Logikfehler hinweisen. (c) truhseeker_08/pixabay.com
Auf Logikfehler hinweisen.
(c) truthseeker_08 / pixabay.com

Wirksamer als Fakten zu hinterfragen ist es, die Logik der Darstellung zu hinterfragen – und diese Taktik auch in der Diskussion anzuwenden, um Logikfehler zu entlarven. Dies ist zielführender mit alltäglichen, offensichtlichen Beispielen. So könnte ich sagen: „Wer nur wegen einem kalten Tag die Erderhitzung anzweifelt, kann genauso gut bei Nacht anzweifeln, dass es die Sonne gibt.“

Worauf Brodnig hier hinauswill: Wir müssen beim Diskutieren verständlich bleiben. Damit können wir Verschwörungstheoretiker*innen sozusagen mit ihren eigenen Waffen schlagen. Denn Tatsache ist: Vermeintlich simple Wahrheiten „übertönen“ Fakten und die notwendigerweise vorsichtige Formulierung der Wissenschaft. Das ist „unfair“ gegenüber trockenen Fakten, die es hier von Haus aus schwerer haben. – Daher sollten wir bei spektakulären Studien und Meldungen immer vorsichtig sein: Ist die Publikation vertrauenswürdig, wurde sie geprüft, gibt es Lücken und Logikfehler? Verlassen sollten wir uns lieber auf mediale Beiträge, die sich das sog. „thematic framing“ antun, also einen Querschnitt von Meldungen bringen oder Positionen zusammenfassen.

Vermeintliche Fairness

Achtung, Verzerrung! Etablierte Medien als solche sind jedoch kein Garant für verlässliche Darstellungen. Der Usus, alle Seiten zu Wort kommen zu lassen, verzerrt den Eindruck über das tatsächliche Gewicht dieser Meinungen. Steht z. B. ein Klima-Zweifler einer Expertin gegenüber, die den breiten Konsens der Wissenschaft vertritt, erhält ein Einzelner die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit wie die Wissenschaftlerin, die für viele Expert*innen spricht. Die Auswahl der Stimmen, die ein Medium trifft, hat also größeren Einfluss, als vielen von uns bewusst ist.

Wortmeldungen in Medien sind oft
nur scheinbar fair gewichtet. (c) Austin Distel / unsplash

Richtig betonen und gewichten. Das heißt: Tendenziell bekommt das, wogegen wir argumentieren, viel zu viel Beachtung – gerade dadurch, dass wir dagegen argumentieren. Brodnig empfiehlt deshalb folgende Strategien:

  • Das Richtige betonen, anstatt Nein zum Falschen zu sagen und es dadurch zu wiederholen. Möglichst deutlich und direkt formulieren.
  • Wenn wir eine falsche Information richtigstellen, sollten wir die Lücke, die dadurch in der mentalen Erzählung entsteht, mit einer alternativen Erklärung füllen können (sofern wir sie kennen). Sonst kann die Richtigstellung nicht „sickern“, und die Falschinformation bleibt im Gedächtnis.
  • Sich wiederholen, wo uns etwas wichtig ist: Nicht umsonst ist die Wiederholung eine rhetorische Figur, denn was wir öfter hören, halten wir erwiesenermaßen eher für wahr.

Tipps gegen Frust-Diskussionen

Doch so bewusst, informiert und sachlich wir auch sein mögen: Fakten sind immer komplex und manchmal sperrig, und „das bessere Argument setzt sich nicht zwangsläufig immer durch“ (S. 125). Eine Garantie, dass wir zu unserem Gegenüber durchdringen, gibt es daher nicht. Damit die Diskussion nicht in Frustration endet, sollten wir strategisch sein:

  • Effizienz prüfen: Wie überzeugt oder festgefahren ist mein Gegenüber? Lohnt sich die Energie, ihm zu widersprechen?
  • Realistische Ziele setzen: Überzeugenwollen im Sinne von „Bekehren“ ist meist zu viel erwartet. Ein anderes Ziel könnte sein, meinem Gegenüber die Angst zu nehmen oder die Emotion zu zerstreuen, die hinter seinem Glauben an Fake News steckt.
  • Umfeld bedenken: In einem Setting, in dem ich möglichst viele Menschen und ein möglichst heterogenes Publikum erreiche, lohnt sich die Diskussion eher.
  • An einem Punkt ansetzen: Wenn mein Gegenüber mich mit Argumenten überhäuft und von einem Thema zum anderen springt, kann ich eines herausgreifen und daran ansetzen, indem ich es in Frage stelle.
  • Und vor allem: Unfaire Diskussionsstile – wie eben genannt – sachlich aufzeigen. Wenn wir aus der Diskussion heraustreten, können wir ihr am besten den Wind aus den Segeln nehmen.

Fazit: Mit Hintergrundinformation und einigen griffigen Beispielen gibt Ingrid Brodnig in diesem Buch Tipps, wie wir nicht nur eher „durchdringen“, sondern in einer festgefahrenen Diskussion auch die Spaltung reduzieren können. Dabei geht es nur wenig um den Klimawandel im engeren Sinn (aus aktuellem Anlass liegt der Schwerpunkt der Beispiele auf Covid-19). Wer aber die beschriebenen Strategien einmal kennt, kann sie themenunabhängig und in verschiedenen Kontexten anwenden. Ein Versuch lohnt sich.

Weiterführender Link

Brodnigs Blog: https://www.brodnig.org/

Coverbild übernommen von: https://www.brandstaetterverlag.com/buch/einspruch/